Mietmarkt in München:Kleine Wohnung zum Tausch gesucht

Bayerischer Mietertag

Tausche große Wohnung gegen kleine: Mancher Mieter in München soll bald einen neuen Vertrag unterschreiben können.

(Foto: dpa)
  • Die Stadt München wird eine eigene Wohnungstauschbörse einrichten.
  • Die Tauschbörse richtet sich vor allem an Senioren, die aus einer großen Wohnung herauswollen, und Familien, die nach einer größeren Bleibe suchen.
  • Auch andere Städte haben dies schon probiert - allerdings ohne Erfolg.

Von Julian Hans

Trotz Bedenken in allen Fraktionen und obwohl vergleichbare Projekte in anderen Städten gefloppt sind, wird die Stadt eine eigene Wohnungstauschbörse einrichten. Einen entsprechenden Antrag hat der Sozialausschuss am Donnerstag ohne Gegenstimmen gebilligt. Die Wohnungsnot sei ein Problem, das allen auf den Nägeln brennt, sagte Marian Offman (SPD), der bereits vor mehr als einem Jahr eine Initiative für eine Plattform zum Wohnungstausch im städtischen Internetangebot gestartet hatte. Auch wenn "die Skepsis in dieser Vorlage durchscheint" sollte man "nichts unversucht lassen".

Die Idee ist so einleuchtend, dass die Stadtverordneten sich von den großen Komplikationen bei der Umsetzung, die schon im Vorfeld deutlich werden, nicht abhalten lassen wollen: Viele alte Menschen leben in Wohnungen allein, die ihnen über die Jahre viel zu groß geworden sind. Weil die Kinder längst ausgezogen sind oder die Partner verstorben. Gleichzeitig sind viele junge Familien in München auf der Suche nach einer Wohnung, die groß genug ist für alle. Wäre es nicht toll, wenn man - salopp ausgedrückt - München einmal durchschütteln könnte wie eine Kiste mit kleinen Lego- und großen Duplosteinen, so dass sich alles zurecht rüttelt und in die gleiche Kiste mehr reinpasst? Übersetzt in die Sprache einer Sozialausschussvorlage klingt das so: "Eine optimale Wohnraumauslastung im Bestand ist erstrebenswert".

Kompliziert wird die Sache dadurch, dass Menschen empfindlicher sind als Legosteine und der Wohnungsmarkt ein hoch komplexes System ist, in dem viele Faktoren eine Rolle spielen, wirtschaftliche und rechtliche. Senioren, die den Mietvertrag für ihre Vier-Zimmer-Wohnung vor vierzig Jahren unterschrieben haben, zahlen heute vielleicht 600 Euro im Monat. Wie soll man sie davon überzeugen, künftig genauso viel oder sogar mehr für nur ein Zimmer und halb so viele Quadratmeter zu bezahlen?

Dazu kommt die emotionale Seite: Die Menschen fühlen sich an einem Ort verwurzelt, kennen die Umgebung, die Apothekerin und auf dem Weg zu ihr jede Gehwegplatte. Das gibt Sicherheit. Mit dem Vorschlag, umzuziehen, löse man "bei älteren Menschen erfahrungsgemäß keine Jubelstürme aus", sagte Alexandra Gaßmann von der CSU. "Ich kann jemanden, der alt geworden ist in der Au, nicht nach Milbertshofen versetzen."

Mit "Soziales Wohnen online" ("Sowon") verfügt die Stadt zwar bereits über eine Plattform zur Vergabe geförderter Wohnungen. Aber zum Tausch eignet sie sich nicht - die Anforderungen durch das Bayerische Wohnungsbindungsgesetz und das Bayerische Wohnraumförderungsgesetz sind so umfassend, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass sich zwei Tauschpartner finden, die die förderrechtlichen Voraussetzungen für die Wohnung des jeweils anderen erfüllen.

Aus diesem Grund zielt die Tauschbörse zunächst auf den frei finanzierten Bestand der städtischen Wohnungsbaugesellschaften GWG und GEWOFAG, die zusammengerechnet über mehr als 37 000 Wohnungen im Stadtgebiet verfügen; davon sind mehr als 2200 für große Familien geeignet. Ein Wohnungstausch soll auch zwischen den beiden Gesellschaften möglich sein.

Um Senioren zu motivieren, sich noch einmal auf eine Veränderung einzulassen, sollen ihnen die städtischen Wohnungsbaugesellschaften garantieren, dass die neue Miete nicht über der alten liegt. Die Stadt will den Umzug der Senioren finanziell unterstützen, dass Sozialreferat soll Umbaumaßnahmen fördern, um die kleinen Wohnungen barrierearm zu gestalten. Wer im Alter aus einer großen Wohnung im dritten Stock eines Altbaus in eine kleinere Wohnung mit Aufzug und einer Dusche mit niedrigem Einstieg wechselt, hätte also tatsächlich einen spürbaren Gewinn an Lebensqualität. Familien, die sich vergrößern wollen, sollen derweil im neuen Zuhause die ortsübliche Vergleichsmiete zahlen. Die höheren Mieten in den großen Wohnungen könnte die Maßnahmen für die Wohnungsbaugesellschaften zumindest teilweise gegenfinanzieren.

Dass der Erfolg der Tauschbörse von ihrer Bekanntheit abhängt und von der Bereitschaft der Senioren zum Wechsel, ist den Stadtverordneten bewusst. Es sei "wichtig, dass erfahrene Freiwillige sie beraten und begleiten", sagte Marian Offman. Die Erfahrung habe er gemacht, als die Israelitische Kultusgemeinde zusammenrücken musste, um Kontingentflüchtlinge unterzubringen. Für diese Arbeit mit der Zielgruppe soll eine auf fünf Jahre befristete Stelle eingerichtet werden. Dafür sind 387 000 Euro geplant. Die Entwicklung der IT-Plattform ist mit 244 000 veranschlagt.

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