Diskriminierungsfreier Raum:Ein Regenbogenhaus fürs Alter

Christopher Street Day, München 2020

Der städtische Heimträger Münchenstift bei den Protesten zum Christopher Street Day in München am Samstag.

(Foto: Robert Haas)

In Sendling entsteht ein soziales Wohnprojekt für 48 queere Seniorinnen und Senioren. Menschen, die in ihrem Leben oft diskriminiert wurden, sollen hier einen ruhigen Platz finden.

Von Sven Loerzer

In Sendling entsteht ein Regenbogenhaus für ältere Menschen. Der städtische Heimträger Münchenstift und die Münchner Aids-Hilfe schaffen mit Unterstützung des Sozialreferats ein Wohnprojekt für 48 ältere lesbische Frauen, schwule Männer, transgender und intersexuelle Menschen.

Sie haben bei der Vergabe der Wohnungen Vorrang, jedoch sollen dort auch Menschen, die gerne in einem solchen Haus leben wollen, berücksichtigt werden. "Wohnen unter'm Regenbogen" heißt das Projekt auf dem städtischen Grundstück Ecke Radlkofer-/Pfeuferstraße, das nach dem Abriss des städtischen Bauzentrums für lange Jahre als Sendlinger Wüste bekannt war. Auf dem tortenförmigen Grundstück mit knapp 8000 Quadratmeter Fläche errichtet die städtische Wohnungsbaugesellschaft GWG nach den Plänen von Steidle Architekten insgesamt 223 Wohneinheiten, ein Flexiheim, eine Kindertagesstätte und Räume für einen Supermarkt und ein Restaurant.

Bezugsfertig sollen die Gebäude im Jahr 2023 sein. Thomas Niederbühl, Geschäftsführer der Aids-Hilfe und Stadtrat der Rosa Liste, freut sich: "Dieses Wohnprojekt war uns eine Herzensangelegenheit. Die Freude darüber, dass es nun umgesetzt werden kann, ist riesig." Über die Realisierung freut sich auch Münchenstift-Geschäftsführer Siegfried Benker, der die Öffnung der stationären Altenpflege in den letzten Jahren vorangetrieben hat. Mit dem neuen Angebot des selbständigen Wohnens ziehe München nun mit Berlin gleich: "Nirgendwo sonst gibt es eine ähnliche Dichte an vergleichbaren Angeboten. Mit dem neuen Haus können wir eine diskriminierungsfreie Versorgungskette im Alter bieten."

Der Sozialausschuss hat ohne Gegenstimmen jetzt einen Zuschuss in Höhe von bis zu 500 000 Euro jährlich zu den Betriebskosten des Projekts in Form eines Defizitausgleichs beschlossen. Damit sollen sozialverträgliche Mieten für queere Seniorinnen und Senioren sichergestellt werden. Nach jahrelangen konzeptionellen Diskussionen mit der Community kooperieren nun Münchenstift und Aids-Hilfe bei dem Wohnprojekt für Menschen ab 60 Jahren. In Ausnahmefällen können Personen ab 50 Jahre mit Pflegegrad einziehen.

Der städtische Heimträger wird den für das Regenbogenhaus vorgesehenen Gebäudeteil mit acht Ein- und 20 Zwei-Zimmer-Wohnungen anmieten, sowie die Verwaltung übernehmen, aber sich auch um die notwendigen Angebote zu Pflege und Betreuung kümmern. Dabei handelt es sich nicht um stationäre Pflege wie in einem Heim, sondern um selbständiges Wohnen. So sollen in dem neuen Haus Menschen auch bei Pflegebedürftigkeit bleiben können und dann ambulant versorgt werden.

Die Aids-Hilfe wird in dem Haus Räume anmieten und mit ihrem Beratungsangebot "Rosa Alter" präsent sein, das psychosoziale Beratung und Hilfe zur Entwicklung einer Hausgemeinschaft bietet. Im Erdgeschoss des Gebäudes entsteht ein Supermarkt. Auch Räume für ein Restaurant sind vorgesehen, das die Aids-Hilfe anmietet und verpachten will. Auf dem Dach des Supermarktes hin zum Innenhof soll eine Terrasse für die Mieter entstehen. Alle Wohnungen sind barrierefrei erreichbar, allerdings nicht rollstuhlgerecht, weil vor allem die Loggien nicht die entsprechenden Anforderungen erfüllen. Wenigstens acht Wohnungen sollen aber zumindest rollstuhlgeeignet sein.

Zur Belegung wird die Aids-Hilfe Mieter aus der Community vorschlagen. Der städtische Heimträger kann aber auch selbständig belegen, wenn die Aids-Hilfe nicht genügend Interessenten benennt. So sollen Leerstände verhindert werden. Das Projekt schaffe endlich für Menschen, die im Laufe ihres Lebens oft Diskriminierung erfahren hätten, im Alter einen diskriminierungsfreien Raum, betont Sozialreferentin Dorothee Schiwy.

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