Kreativquartier:Ein Bauprojekt, wie es das bisher in München nicht gab

Kreativquartier: Im "Großen kleinen Haus" sollen bis zu 25 Wohnungen mit einer Größe von 25 bis 120 Quadratmetern und gedeckelter Miete entstehen. Dazu kommen Gewerbeeinheiten.

Im "Großen kleinen Haus" sollen bis zu 25 Wohnungen mit einer Größe von 25 bis 120 Quadratmetern und gedeckelter Miete entstehen. Dazu kommen Gewerbeeinheiten.

(Foto: Das große kleine Haus eG)

Die Stadt vergibt ein Grundstück im Kreativquartier an eine neue Genossenschaft. Die Besonderheit: Nur gut die Hälfte des Gebäudes ist für Wohnen vorgesehen, der Rest für kreatives oder soziales Gewerbe.

Von Sebastian Krass

60 Prozent Wohnen, 40 Prozent Gewerbe, und all das betrieben von einer Genossenschaft - es wird ein gemeinnütziges Bauprojekt, das es so in München bisher nicht gibt: Nach einer Ausschreibung hat die Stadt ein Baufeld im Kreativquartier an der Ecke Dachauer Straße/Schwere-Reiter-Straße an die vor knapp drei Jahren gegründete Genossenschaft "Das große kleine Haus" vergeben, die damit ihr erstes Projekt realisieren kann.

"Hier soll eine bunte Mischung aus Wohn- und Gewerbenutzungen entstehen, die durch zahlreiche gemeinschaftliche Räume ergänzt und mit dem Quartier verzahnt werden", schreibt die Genossenschaft in einem Text zu ihrem Projekt. Vorgesehen sind auch ein Quartierscafé und eine sogenannte "Multihalle" für Veranstaltungen, die auch von Externen angemietet werden kann. Das Gebäude wird auch deshalb auffallen, weil es als kleines Hochhäuschen mit acht bis neun Geschossen die benachbarte Bebauung im Kreativquartier überragen und zudem am Quartierspark vis-à-vis der Tonnen- und Jutierhalle stehen wird.

Die Zahl der Wohnungen soll sich auf 20 bis 25 belaufen, mit einer Größe von 25 bis 120 Quadratmetern, so skizziert Genossenschaftsvorstand Rainer Hofmann die bisherigen Pläne für das Bauprojekt mit einer Geschossfläche von insgesamt knapp 4000 Quadratmetern. Die Höhe der Miete wird gedeckelt nach den städtischen Regeln des München-Modells oder des Konzeptionellen Mietwohnungsbaus (KMB). Die Gewerbeflächen sollen an kreativ oder sozial orientierte Nutzerinnen und Nutzer vermietet werden.

Es war das letzte von insgesamt vier Grundstücken, die die Stadt im nördlichen Teil des Kreativquartiers für innovative Wohnbauprojekte mit gedeckelten Mietpreisen zu vergeben hatte. Das Interesse an den Arealen war riesig, weil es auf absehbare Zeit kaum noch vorkommen wird, dass die Stadt so zentral gelegene Grundstücke im Angebot hat.

Die ersten drei hatte sie Ende des vergangenen Jahres zugeteilt: eines an ein Mietshäuser-Syndikat, eine spezielle Form des gemeinnützigen Wohnens, die ursprünglich aus der Hausbesetzer-Bewegung kommt und die es in München bisher nur einmal an der Ligsalzstraße auf der Schwanthalerhöhe gibt. Ein weiteres Grundstück ging an ein Gemeinschaftsprojekt der mehr als 100 Jahre alten Postbaugenossenschaft und der ebenfalls neu gegründeten Genossenschaft "Wabe zwo". Das dritte Baufeld bekam das Unternehmen Euroboden, ein privater Investor, der im Luxussegment heimisch ist, aber hier Wohnungen für eine Quadratmetermiete von 9,99 Euro realisieren will.

Das nun vergebene Grundstück barg für die Interessierten eine finanzielle Herausforderung, wie Christian Stupka von der Genossenschafts-Dachorganisation Gima erläutert: Grundsätzlich seien Genossenschaften steuerbefreit, aber nur, wenn sie in ihren Projekten einen Gewerbeanteil von zehn Prozent, etwa für ein Café im Erdgeschoss, nicht überschreiten. Die Vorgabe eines Gewerbeanteils von 40 Prozent habe einige junge Genossenschaften abgeschreckt, nicht aber "Das kleine große Haus". Deren Vorstand Hofmann sagt: "Wir setzen uns der Problematik der Steuerpflicht aus."

Eine Besonderheit an der Genossenschaft ist, dass der Kern im wesentlichen aus zwei Architekturbüros stammt. Rainer Hofmann ist einer der zwei Geschäftsführer von Bogevischs Büro aus München, das bereits mehrere Genossenschaftsprojekte in der Stadt geplant hat. Hofmanns Co-Chef Hans-Peter Ritzer ist im Aufsichtsrat bei "Das große kleine Haus". Ebenfalls im Vorstand und Aufsichtsrat der Genossenschaft vertreten sind die Geschäftsführerin und die zwei Geschäftsführer des Architekturbüros Teleinternetcafe aus Berlin, von dem zudem das städtebauliche Konzept für die Bebauung des gesamten Kreativquartiers stammt. Bei "Das große kleine Haus" sind also Architektinnen und Architekten ihre eigenen Bauherren.

Dahinter steckt aber laut Hofmann keine Selbstermächtigung, sondern sogar eher das Gegenteil: "Wir wollen die Frage der Autonomie von Architektur neu definieren", erläutert er. Sie solle vor allem "Übersetzer einer Idee" sein, die wiederum aus der Gemeinschaft der inzwischen etwa 80 Mitglieder entstehen solle, "das Gebäude wächst aus der Genossenschaft heraus".

Ein solches Projekt wirft immer auch die Frage auf, ob es für Außenstehende noch die Chance gibt, eine Wohnung zu ergattern. "Derzeit gehen wir davon aus, dass alle Flächen vergeben sind. Deshalb haben wir auch einen Mitgliederstopp für das Projekt", sagt Hofmann, der übrigens privat nicht einziehen will, aber vielleicht mit seinem Architekturbüro. "Das große kleine Haus" denke aber schon über ein weiteres Projekt nach.

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