München:Wohnen für Weltoffene

Schwabinger Tor Visualisierung

So soll das neue Stadtquartier an der Münchner Leopoldstraße einmal aussehen. Visualisierung: Jost Hurler

Das Großprojekt "Schwabinger Tor" nimmt Gestalt an. Neben einem Hotel, Büros und Geschäften entstehen auch Wohnungen. Ein komplexes und modernes Sharing-Konzept soll eine neue Urbanität schaffen.

Von Sebastian Hepp

Das neue Münchner Stadtquartier "Schwabinger Tor" soll an die Geschichte des ehemaligen Künstlerviertels Schwabing anknüpfen. Das erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Während sich das Leben etwa von Brecht, Rilke und Ringelnatz in der Altschwabinger Boheme rund um die Türken- und Schellingstraße abspielte, entsteht das prominente Großprojekt knapp zwei Kilometer weiter im Norden. Auf einem 42 000 Quadratmeter großen Areal entlang der Leopoldstraße, auf dem sich früher die Metro und das Holiday Inn befanden, wird kräftig gebaut: neun Gebäude mit 210 Wohnungen, 21 000 Quadratmeter Bürofläche, 7400 Quadratmeter Handel und Gastronomie, ein Fünf-Sterne-Hotel mit Wellness- und Kongressbereich und 275 Zimmern. Und da soll Platz sein für den Austausch von Ideen und für die künstlerische Entfaltung unter Gleichgesinnten?

In der Tat, glaubt man den Verantwortlichen der Jost-Hurler-Unternehmensgruppe. Mit ihrer Leitidee des Teilens in allen Lebensbereichen will der Projektentwickler und Bauherr des "Schwabinger Tors" ein inspirierendes Quartier schaffen, in dem "eine weltoffene und moderne Gemeinschaft" entsteht. So gehören zu dem Gesamtkonzept "Carsharing" und "Co-Working", die Unterstützung von Start-ups und die Förderung junger Künstler. Und es soll eine App geben, mit der sich die Bewohner untereinander austauschen können. So soll das Miteinander von Menschen unterschiedlichster sozialer Hintergründe und Lebensstile auf dem Areal gefördert werden. Jost Hurler hat dazu extra eine Studie in Auftrag gegeben; die Thomson Group International fand heraus, dass das Benutzen in Form des Teilens mehr und mehr an Bedeutung gewinne. Das Projekt steht denn auch unter dem Motto "Talente, Teilen, Toleranz".

Ziel sei zudem, "Schwabing über die Münchner Freiheit hinaus auszudehnen und so die ganze Stadt am Konzept einer neuen Urbanität teilhaben zu lassen". Für diese Urbanität soll auch die Architektur stehen, für die fünf Architekturbüros verantwortlich sind. Eine Natursteinfassade in hellem Beige und "stehende Fenster" gehören zu den architektonischen Merkmalen der Gebäude. Damit will man den städtebaulichen und historischen Kontext zu Schwabing aufgreifen und mit heutigen Mitteln umsetzen. Die Wohnungen selbst verfügten über Loggien und zum Teil über Freiflächen.

Wie Projektleiterin Isabell Klunker vom Münchner Architekturbüro Max Dudler erläutert, handelt es sich bei den Wohnungen ausschließlich um Mietwohnungen, die sämtlich im Bestand der Jost-Hurler-Unternehmensgruppe bleiben. Von den 210 Unterkünften seien 15 Prozent geförderte Wohnungen, die zum Teil nach dem München Modell Miete vergeben würden, zum Teil nach den Kriterien der einkommensorientierten Förderung (EoF). 13 Wohnungen sind barrierefrei.

Neubau

Tausende Wohnungen und Häuser werden jedes Jahr in München und Umgebung gebaut. Das Angebot ist vielfältig. Unter der Rubrik Neubau stellen wir vor, was wo entsteht.

Die Ein- bis Vierzimmerwohnungen seien so konzipiert, dass sie sich wechselnden Lebensphasen und Wohnvorstellungen anpassen könnten. "Dazu braucht es höchst flexible Wohnlösungen, die ein mobiles Leben und Arbeiten ermöglichen, aber auch das Bedürfnis nach Individualität und Einzigartigkeit berücksichtigen", skizziert Benjamin Oeckl, der Geschäftsführer der mit der Ausstattung der Ein- bis Vierzimmerwohnungen beauftragten Münchner Firma Belform. "Wir möchten alle Individualisten sein, andererseits brauchen wir die Gemeinschaft. Das ist schon ein Spagat", erklärte die sich schwerpunktmäßig mit Wohntrends befassende Journalistin Petra-Anna Herhoffer anlässlich der offiziellen Vorstellung des seit Dezember 2015 bezugsfertigen Wohnhochhauses im ersten Bauabschnitt. Je kleiner die Wohnungen würden, desto mehr sähen sich die Bewohner gezwungen, sich nach außen zu orientieren und Gemeinschaftseinrichtungen wie Lounges, Bars, Cafés oder den Concierge-Service zu nutzen. Deshalb gelte es, auch die Wohnungen selbst zu kleinen Erlebniswelten zu machen.

Die in dem betreffenden Gebäude vorherrschenden Wohntypologien "Nature", "Style" und "Pure" entwickelte die Firma Belform jeweils aus den von ihr gewonnenen Kenntnissen über Quartier, Bauobjekt und die anvisierte Zielgruppe der künftigen Bewohner: Den Wohntyp männlich, Single, 30 plus, Persönlichkeitsmerkmal Weltoffenheit und Bodenständigkeit hat die Linie "Nature" im Blick. Natürliche Farben und Formen, robuste Materialien wie Holz, Textilien und Pflanzenarrangements stünden hier für einen "naturverbundenen, bewusst lebenden Nutzer". Die gebildete, weit gereiste und kreative Familie von 40 Jahren aufwärts mit Kind, für die "Designbewusstsein und die Liebe zum Verspielten" charakteristisch seien, schwebte den Ausstattern beim Wohntyp "Style" vor. Bei diesem mischen sich hochwertige Designermöbel und geometrische Formen mit persönlichen Gegenständen. Die Bewohner einer im Stil "Pure" eingerichteten Wohnung (idealerweise ein Paar von 40 Jahren aufwärts mit Kleinkind, er: Manager, sie: Creative Director in der Modebranche) würden dagegen eine "schlichte und minimalistische" Einrichtung bevorzugen. Reduzierte Farben und Formen prägen hier das Gestaltungsbild.

Trotz dieser Typisierungen will die Jost-Hurler-Unternehmensgruppe aber keine starre Festlegung auf Zielgruppen. "Wir wollen eine möglichst große Mischung an Bewohnern, wir wollen Junge und Alte, generell aber weltoffene Bewohner, die dem Sharing-Gedanken gegenüber aufgeschlossen sind", sagt Steffen Warlich, Leiter Kommunikation und Marketing bei Jost Hurler. Ob sich das Konzept so umsetzen lässt, wird sich zeigen. Bezugsfertig sein soll das ganze Quartier im Herbst 2017.

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