Ackermannbogen:Mieter protestieren gegen Dawonia

Ackermannbogen: Gut 80 Aktivisten und Anwohner demonstrieren am Samstagabend für bezahlbare Mieten.

Gut 80 Aktivisten und Anwohner demonstrieren am Samstagabend für bezahlbare Mieten.

(Foto: Stephan Rumpf)

Es ist das erste Mal, dass "Ausspekuliert" zur Kundgebung speziell gegen den GBW-Nachfolger aufgerufen hat. Die Immobiliengesellschaft erhöhe die Preise auch während der Pandemie.

Von Jakob Wetzel

Sandra Hanke sagt, sie und ihre Familie hätten Glück gehabt - zumindest hätten sie das am Anfang gedacht. Es ist Samstag, gegen 17 Uhr, Hanke steht an der Adams-Lehmann-Straße am Ackermannbogen und zeigt auf den Wohnblock vor ihr. Da drin hätten sie 2011 über das Wohnungsamt eine Bleibe erhalten. Das Haus gehörte damals der staatlichen Wohnungsbaugesellschaft GBW. Die Hankes waren eine junge Familie mit wenig Geld, sie ist Erzieherin, ihr Mann Handwerker; die Wohnung half, sich das Leben in München leisten zu können.

Doch 2013 verkaufte der Freistaat seine GBW-Wohnungen an ein Konsortium um den Augsburger Immobilienkonzern Patrizia, auch das Haus an der Adams-Lehmann-Straße. Die GBW heißt mittlerweile Dawonia. Und seit dem Wechsel sei regelmäßig die Miete erhöht worden, so schnell und so stark, wie es das Gesetz zugelassen habe, sagt Hanke. Mittlerweile zahlt die Familie für ihre knapp 90 Quadratmeter große frühere Sozialwohnung warm 1400 Euro im Monat. Mit einem mittleren Gehalt werde das schwer, sagt sie. "Und ich weiß, dass die nächste Erhöhung kommen wird."

Hanke ist eine von etwas mehr als 80 Münchnerinnen und Münchnern, die am Samstagabend am Ackermannbogen eine gute Stunde lang gegen die Dawonia auf die Straße gegangen sind. Bundesweit hatte ein Aktionsbündnis in 16 Städten zu Protesten gegen steigende Mieten und die Verdrängung langjähriger Mieter aufgerufen. In München hatte "Ausspekuliert" den Protest organisiert; es war die erste Kundgebung der vor zwei Jahren gegründeten Bürgerinitiative, seit sie im März eine Großdemonstration wegen des Coronavirus absagen musste.

Gekommen sind nun Aktivisten und vor allem Anwohner, ältere Frauen und Männer ebenso wie Eltern mit kleinen Kindern. Nicht jeder Demonstrant trägt eine Schutzmaske, aber die meisten halten Abstand. Kinder laufen zwischen ihnen herum. Und ein Baby sitzt auf dem Boden und lutscht an einem Pappschild, auf dem "Wohnungen sind keine Ware" steht.

Die Dawonia steht wegen mehrerer Projekte in der Kritik

Es ist das erste Mal, dass "Ausspekuliert" zur Kundgebung speziell gegen die ehemalige GBW aufgerufen hat. In der Corona-Krise würden viele Menschen um ihre Existenz kämpfen, heißt es im Aufruf der Initiative. Immobiliengesellschaften wie die Dawonia aber würden auch jetzt ihre Mieten erhöhen.

Die Dawonia steht derzeit bereits wegen mehrerer Projekte in der Kritik von Mieterschützern; auch der Münchner Mieterverein hatte zur Teilnahme an der Kundgebung am Samstag aufgerufen. In der Maxvorstadt etwa möchte die Dawonia ein Haus abreißen, obwohl sie deren Bewohnern wegen einer beim Kauf der Wohnungen unterzeichneten Sozialcharta noch gar nicht kündigen darf; ein betroffener Mieter sprach nun bei der Kundgebung. In einem Wohnblock im nördlichen Schwabing wiederum sollen die Mieten Briefen der Dawonia zufolge nach einer Sanierung zum Teil auf mehr als das Doppelte steigen.

Den Vorwurf, trotz Corona-Krise die Mieten zu erhöhen, wies die Dawonia aber zurück; Bewohner am Ackermannbogen fanden vor der Kundgebung eine Stellungnahme dazu in ihren Briefkästen. Sie habe seit dem Ausbruch der Krise auf "Mietanpassungen" verzichtet, heißt es in dem Papier. Weiter heißt es jedoch: "Mietanpassungen, die möglicherweise im Mai wirksam wurden, waren weit vor Corona eingeleitet worden." Mit Mietern, die wegen der Krise weniger Einkommen hätten, suche und finde sie Lösungen, steht dort weiter; in sozialen Härtefällen gehe man über das gesetzlich Vorgeschriebene hinaus.

Sie habe selbst eine Mieterhöhung zum 1. Mai bekommen, sagte am Samstag eine Mieterin ins Mikrofon der Kundgebung. Namentlich wollte sie nicht genannt werden; sie hatte aber einen Stapel Belege dabei. Sie glaube gerne, dass diese Erhöhung länger geplant gewesen sei, sagte sie. Doch die Dawonia hätte sie wegen der Krise ja zurücknehmen können; das habe sie nicht getan. Vielmehr seien mehrere Schreiben mit Zahlungserinnerungen gekommen.

Die Dawonia sei nur ein Beispiel, sagte am Samstag Christian Schwarzenberger, der Organisator des Protests. "Wir fordern einen sofortigen Mietenstopp. Dass keine weiteren Mieter, sondern die Spekulanten verdrängt werden. Und dass die Wohnungen wieder in die öffentliche Hand kommen." Vanessa Sander von "Ausspekuliert" forderte dazu auf, sich dauerhaft zu organisieren. Es gehe nicht nur um die Mieten, sondern um die Gemeinschaft, sagte sie. "Was ist, wenn die Pflegekräfte, die in der Corona-Krise von den Balkonen bejubelt wurden, sich diese Stadt nicht mehr leisten können?"

Und auch Matthias Weinzierl warb um Unterstützung. Er koordiniert die Kampagne zum Volksbegehren "6 Jahre Mietenstopp"; das bayerische Innenministerium hatte dieses zuletzt als unzulässig abgelehnt, zuständig sei der Bund. Nun entscheidet darüber der bayerische Verfassungsgerichtshof. Wenn das Gericht das Volksbegehren zulasse, brauche man Unterstützer in ganz Bayern, sagte Weinzierl. Und falls nicht, müsse man eben bundesweit weitermachen.

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