Wer einen der weltweit größten Premium-Automobilhersteller als Kunden gewinnen will, muss verstehen, wo er herkommt und was er kann. Samira Ceribašić weiß das. Ihr Unternehmen Core Muc arbeitet seit vielen Jahren für Autobauer wie BMW, hilft dem Münchner Hersteller, Sitze und andere Innenausstattung zu entwickeln. „In jedem BMW-Modell, das Sie auf der Straße sehen, stecken unsere Ideen“, sagt Ceribašić. „Das wird auch in den nächsten fünf Jahren so sein, weil wir schon an den Modellen arbeiten, die 2030 auf den Markt kommen.“
Die eigene Firma ist aber nur eines von vielen Betätigungsfeldern der umtriebigen Managerin. Ceribašić kam in den 1990er-Jahren aus Bosnien nach Deutschland, studierte Betriebswirtschaftslehre (BWL) in Berlin und arbeitete mehr als ein Jahrzehnt für einen Autokonzern, bevor sie 2016 den Sprung in die Selbständigkeit wagte. Heute leitet sie mit Core Muc ein erfolgreiches Familienunternehmen mit Standorten in München, Sarajevo und Dubai.
An diesem Montag hat die Unternehmerin, Mentorin und Förderin der bosnischen Community den La-Monachia-Wirtschaftspreis der Stadt München bekommen. „Mit La Monachia feiern wir Frauen, die unternehmerisch glänzen und zugleich Verantwortung für unsere Gesellschaft übernehmen“, sagt Christian Scharpf, Münchens Referent für Arbeit und Wirtschaft. Die Preisverleihung soll weibliche Wirtschaftskraft in der Stadt sichtbar machen. „Viele Frauen leisten täglich Großartiges, stehen aber nicht im Rampenlicht“, sagt Ceribašić. „Das ist ja nicht nur mein Preis – er gilt allen Unternehmerinnen, die im Hintergrund wirken.“
Zu den Preisträgerinnen in diesem Jahr zählen auch Steffi Czerny, Geschäftsführerin der DLD Media GmbH, und Anja Konhäuser, Mitgründerin und Partnerin der Ommax GmbH. Czerny habe mit der DLD-Konferenz eine Plattform geschaffen, die seit 20 Jahren Treffpunkt für Denker aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur sei. So habe die Netzwerkerin geholfen, das „Isar Valley“ über Deutschland hinaus bekannt zu machen. Konhäuser stehe für digitale Transformation „Made in Munich“. Ihr Unternehmen berät Mittelständler und Konzerne bei der Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle. Die dreifache Mutter engagiert sich zudem im Verein „Working Moms“.
Ceribašić arbeitet neben ihrem Job als Kaufmännische Leiterin von Core Muc auch als Coach. Sie hat ein zwölfwöchiges Mentoring-Programm entwickelt, um Frauen wirtschaftlich stark zu machen. „Ich hatte immer gute Menschen an meiner Seite. Mentoren und Mentorinnen, die Vertrauen in mich hatten und meine Reise begleitet haben“, sagt die Unternehmerin. „Das möchte ich weitergeben.“ Deswegen unterstützt sie auch Unternehmerinnen aus dem Balkanraum beim Einstieg in den deutschen Markt und organisiert Workshops und Veranstaltungen. 2020 hat sie zudem den Verein Bosnisch-Herzegowinische Schule München mitgegründet und wurde dessen erste Präsidentin. Muttersprachlicher Unterricht soll dafür sorgen, dass Kultur und Identität der Kinder, die in Deutschland aufwachsen, nicht verloren gehen.
„Ich sage immer, ich bin eine Münchnerin mit bosnischen Wurzeln und einer Dosis Berliner Direktheit“, sagt Ceribašić. Sie wurde 1971 in Bosnien geboren, lebt seit 1992 in Deutschland, ist verheiratet und Mutter von zwei Kindern (27 und 15 Jahre). Anfang der Neunzigerjahre, als die Jugoslawienkriege Bosnien erreichten, floh sie aus Sarajevo. In Berlin traf sie ihren damaligen Freund und heutigen Ehemann, einen gebürtigen Berliner, der aber nicht in Deutschland aufgewachsen ist und – ebenso wie sie – keine deutsche Staatsangehörigkeit hatte; er studierte dort Maschinenbau. Über ihre Jahre in Berlin sagt Ceribašić: „Es war eine großartige Zeit. Diese weltoffene Stadt hat mir geholfen, mich selbst zu öffnen und zu wachsen.“ Diese Verbundenheit zu Berlin spüre sie bis heute.
Zum Berufseinstieg war sie für die A-Klasse von Daimler-Chrysler zuständig
Nach dem Studium und einem ersten Job als Werkstudentin bei Siemens wechselt die Expertin für Marketing und Finanzen 1999 in die deutsche Vertriebszentrale der Daimler-Chrysler AG am Potsdamer Platz. „Ich saß in der sechsten Etage im Produktmanagement und war für die A-Klasse zuständig, die damals relativ neu war“, sagt Ceribašić. „Wow! Was war das für ein Einstieg ins Berufsleben – für eine Bosnierin und Mama!“
Später erfordert eine Familienzusammenführung den Umzug der Familie nach München. Ceribašić kündigt 2004 und wechselt ins strategische Controlling der Mercedes-Benz-Niederlassung an der Donnersbergerbrücke. Strategisches Denken prägt ihre Karriere – und die ihres Mannes. Die beiden sind in diesem Jahr 30 Jahre verheiratet. Als sie 2006 und er 2008 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis bekommen, haben die beiden endlich die Chance, sich einen lange gehegten Wunsch zu erfüllen und ein eigenes Unternehmen zu gründen. „Wir wollten das, was wir in Deutschland gelernt und erfahren haben, nach Bosnien bringen“, sagt Ceribašić. „Wir hatten ja während des Krieges das Glück, dass wir beide studieren konnten und nicht im Krieg waren. Wir wollten etwas zurückgeben.“
2011 gründet ihr Mann gemeinsam mit seinem Schwager in Bosnien Core doo Sarajevo, eine Firma, die Automobilhersteller beim Fahrzeugbau berät. Doch die deutschen Hersteller unter den Kunden wünschen sich, dass die beiden eine GmbH gründen; deutsches Recht verspricht ihnen mehr Sicherheit. Also kündigt Ceribašić 2016 ihren Job bei Mercedes-Benz, gründet gemeinsam mit ihrem Mann die Core Muc GmbH und schlüpft in die Rolle der Kaufmännischen Leitung. Das Unternehmen hilft der Autoindustrie bei der Entwicklung und Konstruktion von Fahrzeugen. Seine Spezialität sind Interieure, also Cockpits, Mittelkonsolen und vor allem Sitze. „Damit haben wir uns einen Namen gemacht“, sagt Ceribašić. Core Muc beschäftigt mittlerweile 20 Mitarbeiter. Im vergangenen Jahr wurde ein Standort in Dubai eröffnet; bald kommt ein weiterer in Großbritannien dazu. „Bentley ist seit einigen Jahren ein großer Kunde von uns“, sagt die Unternehmerin.
Und wie gefällt es dem Berlin-Fan nun in München? „Am Anfang war das ein Kulturschock“, sagt die Preisträgerin. „Es hat eine Weile gedauert, bis ich angefangen habe, diese Stadt zu lieben.“ Anfangs habe sie gestört, dass überall, auch in den Unternehmen, die Tradition hochgehalten wurde, ihr fehlte die Innovationsfreude. Inzwischen habe sie verstanden, dass München diesen Widerspruch aus Alt und Neu „irgendwie gut vereint“. „Das hat auch mir gezeigt: Ich kann modern und innovativ sein in meinem Unternehmen, dabei muss ich meine Herkunft und Geschichte nicht verbergen.“ Sie freue sich über die Auszeichnung der Stadt, die mit ihrem Preis Frauen würdigt, die durch Innovation und Führungsstärke überzeugen.

