Natürlich, sagt Max Fabian Dömges, hätten seine Geschäftspartner und er zunächst beraten, ob sie da mitmachen wollen - bei "Kauf lokal". Sie hätten das Angebot, ihre Fahrräder zwei Wochen im Sporthaus Schuster zu zeigen, ohne dafür etwas bezahlen zu müssen, dann aber schnell als Chance begriffen. Denn, so sagt der Inhaber des Fahrradgeschäfts Bici Bavarese in Haidhausen: "Ein Schaufenster in der Innenstadt, das kostet normalerweise viel Geld."
Zum fünften Mal findet "Kauf lokal" nun statt, von diesem Freitag bis zum 21. März, und die Aktion hat ordentlich zugelegt. Beim Start waren es nur 30 kleine Firmen, die beim Hirmer an der Kaufingerstraße Limonade ausschenkten, Eis, Schokolade oder Brot zum Probieren anboten oder einfach darauf hofften, dass ihre Produkte zwischen Kaschmirpullis und Leinensakkos von potenziellen Kunden entdeckt werden. Diesmal beteiligen sich 130 Firmen, sie verteilen sich auf fünf Gastgeber - und mit Hugendubel, Betten Rid, Kustermann, Hirmer und dem Sporthaus Schuster sind das genau die fünf Traditionshändler, die sich unter dem Namen "Münchens Erste Häuser" zusammengeschlossen haben, um in unsicheren Zeiten auf Zusammenhalt zu setzen anstatt auf ausgefahrene Ellbogen.
Ein gönnerhaftes Hilfsangebot der Großen, die für die Kleinen mal eben zur Seite rutschen in ihren Immobilien in Bestlage? So will die Aktion "Kauf lokal" nicht verstanden werden, ebenso wenig als Absage an den Online-Handel. Man sollte außerdem nicht übersehen, dass die fünf Münchner Traditionshäuser ja ebenfalls profitieren. Die jungen Marken sollen neue Kunden ins Haus locken, die dann unter Umständen auch noch ein wenig bleiben. "Es sind wieder viele Marken dabei, die schon in den vergangenen Jahren teilgenommen haben", sagt David Thomas von Hirmer, der die Aktion vor fünf Jahren initiiert hat. Weil er sich zunehmend störte an den ganzen Zaras, Pimkies und H&Ms, die sich in der Fußgängerzone ausbreiten. Und weil er zeigen wollte, dass München auch coole, kleine Modelabels, innovative Naturkosmetikfirmen und pfiffige Gastrokonzepte hervorbringt. "Wir wollen auf die Vielfalt Münchens hinweisen", sagt Thomas.
So war das 2016, so ist es 2020. Denn was bringt die schönste Vielfalt, wenn davon niemand etwas mitbekommt? Mieten für Hinterhofateliers mögen in manchen Fällen selbst an der Isar noch erschwinglich sein, doch dort erfährt nun einmal niemand, wie viel Arbeit in einem Hut steckt oder warum eine handgefertigte Keramikschale nicht für ein paar Euro zu haben ist. Das Porridge aus regionalen Haferflocken oder der Honig von den Stadtbienen wollen gekostet werden, und auch die Yoga-Handtücher aus recycelten PET-Flaschen finden sicher ihre Fans - wenn die denn wissen, dass es so etwas überhaupt gibt.
"Die Konkurrenz ist groß", sagt Anja Palic, die seit 2018 unter dem Label "Karokönig" Herrenhemden und T-Shirts aus Biobaumwolle vertreibt. Gerade in der Mode, wo Nachhaltigkeit inzwischen zum guten Ton gehört. Insofern erhofft sie sich von ihrem zweiwöchigen Gastspiel bei Hirmer mehr Bekanntheit für ihre Hemden. Und sollte sich aus der Teilnahme an "Kauf lokal" eine dauerhafte Zusammenarbeit mit dem Modehaus ergeben - nun, dann wäre das für sie ein ziemlicher Erfolg.
Auch der Handel muss sich etwas einfallen lassen, um den Ansprüchen der Kunden zu genügen. Die sich am Sonntagnachmittag auf dem Sofa durch eine Galerie an Sommerjacken klicken, um sich am Montag eine im Laden zu kaufen. Oder eben andersherum. Bernd Ohlmann, Sprecher des Bayerischen Handelsverbandes, hat Zahlen: Der Prognose eines Marktforschungsinstituts zufolge werden die Münchner im Jahr 2020 etwa neun Prozent mehr Geld im Internet lassen als im Vorjahr. Er könne kleinen Unternehmen nur zur Teilnahme an Aktionen wie "Kauf lokal" raten, sagt Ohlmann, schon um auf sich aufmerksam zu machen. "Das ist eine schöne Bühne." Zumal das Regionale ein Pfund ist, mit dem sich wuchern lässt. Der heimische Boskop-Apfel ist den Menschen in diesen Tagen nun einmal sympathischer als eine Mango, die einmal um die halbe Welt geflogen ist. "Dafür sind die Leute auch bereit, tiefer in die Tasche zu greifen."
Nele Warneke von My Eier klingt zufrieden, wenn sie gefragt wird, wie es für den Eierlikör aus München im vergangenen Jahr gelaufen sei bei "Kauf lokal". Gut, sagt sie am Telefon, sie wurde danach tatsächlich ein paar Mal angesprochen, das sei doch dieser Münchner Eierlikör, den es bei Sport Schuster gegeben habe. Auch Max Fabian Dömges von Bici Bavarese erzählt, dass er während der Aktion immerhin zwei seiner Fahrräder verkauft habe und obendrein noch etliche T-Shirts.
Quentin Pratleys Flaschen namens flsk, die Getränke über viele Stunden hinweg kühl halten, gab es gerade einmal ein halbes Jahr, als er diese im März 2016 bei der ersten "Kauf lokal"-Aktion zeigte. Seither, sagt er, hätten sich Umsatz und Produktionszahl in etwa verzehnfacht, 1500 Läden führen seine Flaschen heute. Dieser Erfolg hat natürlich nicht nur mit "Kauf Lokal" zu tun, auch wenn die Flaschen dadurch das erste Mal so richtig wahrgenommen wurden. Um eine Marke voranzubringen, reiche eine einzelne Aktion nicht aus. Dennoch sei ihm damals klar geworden, wie ein großer Einzelhändler tickt. Und dass schöne Bilder und ein gut gestalteter Online-Shop nicht alles sind. "Die Kunden kaufen die Flaschen schneller, wenn sie die anfassen können."