Winter in München:Wann kommst du geschneit?

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Manchen Münchner packt die Sehnsucht nach dem Winter, die sich allenfalls beim Eisstockschießen stillen lässt. (Foto: Robert Haas)

Streusplitt in den Depots, Punsch am Kiosk und präparierte Rodelhügel: Die Stadt ist vorbereitet auf den Schnee - doch der lässt auf sich warten. Was Münchner machen, um den Winter zu spüren.

Von Kathrin Aldenhoff

München wartet auf den Winter. Die Schlitten stehen im Keller, die Punschflaschen unberührt im Küchenschrank, das Vogelfutterhäuschen verwaist auf dem Balkon. Kurzum, der Winter ist bisher eine einzige Enttäuschung. Am letzten Wochenende der Weihnachtsferien dann der Notfallplan: Ein Ausflug an den Spitzingsee, damit die Zweijährige versteht, was dieser Schnee eigentlich ist, von dem in ihren Büchern die Rede ist. Die Idee hatten viele, die Autobahn war voll, die Hütten waren es auch. München hingegen soll eher leer gewesen sein an jenem Wochenende.

Eislaufen für das Wintergefühl

Wer ein wenig sucht, der findet den Winter aber auch in der Stadt. Zum Beispiel im Prinzregentenstadion. Die Sonne strahlt an diesem Freitagvormittag bei Temperaturen von knapp zehn Grad, das Eis glitzert, aus dem Lautsprecher schallt Popmusik, Pink, Xavier Naidoo, Bushido.

Julia Berghofer dreht ihre Pirouetten auf dem Eis, im Hintergrund stehen die Rutschen des Freibads auf der grünen Wiese. Seit mehr als 15 Jahren macht die junge Frau Eiskunstlauf. Ob sie Sehnsucht nach dem Winter habe? "Furchtbar!", sagt sie und nickt. Vor zehn Jahren, da habe es wenigstens noch ab und zu richtig geschneit. Da sei auch der Feringasee noch zugefroren. Da habe sie sich gefreut, dass von Oktober an die Eislaufsaison losgehe. In diesem Jahr hat die Eislaufbahn im Prinzregentenstadion am 9. November geöffnet. Wenn es richtig kalt wäre, sagt der Chef Markus Stangl, dann könnten sie früher aufmachen. Wenn. Eiskunstläuferin Julia Berghofer sagt: "Ich wünsche mir den Winter zurück. Wenn es ein bisschen schneit, wenn auf dem Eis etwas Schnee liegt, dann macht es viel mehr Spaß, zu trainieren."

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Die Schlitten stehen bereit, das Streusplitt steht in den Depots, an Kiosken gebe es Punsch. Was Münchner manchen, um den Winter zu spüren - trotz milder Temperaturen.

Joanna Grundy ist mit ihrem Sohn im Kindergartenalter da; der Junge schiebt einen Pinguin übers Eis. "Die Kinder wachsen heute mit ganz anderen Wintern auf als wir früher", sagt sie. Schöne Erinnerungen hat sie an den Winter von früher, deshalb ist sie auch hergekommen, damit ihr Kind ein bisschen Wintergefühl erleben könne. Es sei wichtig, sagt sie, jetzt Maßnahmen zu ergreifen, damit die Temperaturen nicht noch weiter steigen.

Eislaufen, um den Winter zu spüren, das machen viele Münchner, sagt der Chef des Prinzregentenstadions. Am Wochenende kämen zwischen 500 und 2000 Leute, je nachdem ob es regnet oder die Sonne scheint. Zu viel Winter ist für ihn aber auch nicht gut. "Wenn der erste Schnee fällt, dann merken wir das hier. Dann gehen die Leute zum Skifahren."

Volle Streusalzlager

Wenn der Schnee denn kommt. Die Stadt jedenfalls ist vorbereitet, der Winter könnte kommen, wenn er nur wollte. In den Parks warnen Schilder am Ufer der Seen davor, die Eisfläche zu betreten - auch wenn von einer solchen momentan keine Rede sein kann. Am Rodelberg neben dem Maximilianeum hat jemand den Stamm eines großen Baumes mit Strohballen gepolstert für den Fall, dass Kinder zum Rodeln kommen. Noch liegt braunes Laub auf der Wiese statt weißen Schnees.

Die Münchner schwitzen in ihren Wintermänteln, die Streusalzlager der Stadt sind gut gefüllt - 13 600 Tonnen Streusalz und 3000 Tonnen Streusplitt warten nur darauf, von 1000 Mitarbeitern und 600 Fahrzeugen auf Straßen, Radwegen und Gehwegen verteilt zu werden. Bisher haben sie 1250 Tonnen Salz, 635 Tonnen Salzsole und 1570 Tonnen Splitt gestreut. Auch die Autobahndirektion ist vorbereitet, mit mehr als 200 Fahrzeugen zum Schneeräumen und Salz streuen. Aber so einen richtigen Einsatz, bei dem alle Fahrzeuge über einen längeren Zeitraum räumten und streuten, den gab es in diesem Winter noch gar nicht. Die Autobahndirektion Südbayern hat 100 000 Tonnen Salz auf Lager - gebraucht haben sie bisher gerade einmal 3000 Tonnen.

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München braucht den Winter, es sehnt sich nach ihm. Wie sonst ist ein Angebot wie die Après-Ski-Party in der Knödelalm im Werksviertel zu verstehen? Es gibt eine Außenbar und Wintergrillen, Eintritt frei im Skianzug. Nur - wer würde bei den aktuellen Temperaturen gerne in Skihose bis zum Ostbahnhof fahren? Der Verkäufer im Zeitungskiosk am Max-Weber-Platz bietet neben Kaffee und Cappuccino auch Punsch an, zwei Euro der Becher. Nur will den in diesem Winter keiner.

Dabei könnte es so schön sein: Rodeln im Ostpark, Schneemänner bauen, Eisstockschießen auf dem Nymphenburger Schlosskanal. Am Freitagmittag misst Herbert Fesl dort drei Zentimeter Eis. Zu wenig, als dass man die Eisfläche betreten oder gar Eisstock schießen könnte. Zehn Zentimeter bräuchte es dafür, und die hatte es in diesem Winter noch nicht. Kommt aber noch, meint er. "Eine Woche Kälte, dann geht's los." Der Kanal sei das erste Gewässer in München, das zufriere. Weil das Wasser so niedrig ist und weil der Kanal in Ost-West-Richtung angelegt sei. "Wenn der Ostwind reinzieht, ist es hier zwei bis drei Grad kälter als sonst irgendwo in München."

Nur die Murmeltiere halten Winterschlaf im Münchner Zoo

Wer so lange schon mal üben will, kann in den Biergarten des Bamberger Hauses ausweichen; dort sind Bahnen angelegt, genauso wie im Löwenbräukeller. Da haben sie, so steht es auf der Homepage, wegen der großen Nachfrage sogar eine vierte Bahn eröffnet. Die Sehnsucht nach dem Winter lässt sich dabei für ein paar Euro zusätzlich stillen: Zur Eisstockbahn kann man Glühwein, Kinderpunsch und eine Stockwurst, über dem offenen Feuer gegrillt, dazu buchen.

Ganz gelassen sehen das Ausbleiben des Winters dagegen die Zoobewohner im Tierpark Hellabrunn: Der bisher milde Winter stört die Tiere nicht im Geringsten. Die einzigen, die im Münchner Zoo Winterschlaf hielten, seien die Murmeltiere, teilt die Pressesprecherin mit. Und die schliefen zwei Meter unter der Erde in ihren Höhlen, in denen es zwischen fünf und zehn Grad habe - ganz egal, ob es draußen schneit oder ob die Sonne scheint. Auch sein Winterfell verliere kein Tier wegen der wärmeren Temperaturen - dass sie eines tragen, sei nämlich eine evolutionäre Anpassung an den Jahreslauf. Die Tiere reagierten nicht tagesaktuell auf das Münchner Wetter.

Und was die Eisbären angeht: Die könnten auch mit dem arktischen Sommer umgehen. An der Hudson Bay in Kanada könne es im Sommer mehr als 30 Grad warm werden - da mache der Münchner Winter keine Probleme. Gut zu wissen. Denn die Aussichten des Deutschen Wetterdienstes lauten: meist sehr mild.

© SZ vom 11.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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