Münchner Momente:Der Kick der Eisradler

Münchner Momente: Weißer Radweg, geräumte Straße: Dieses Bild ist derzeit wieder häufig anzutreffen.

Weißer Radweg, geräumte Straße: Dieses Bild ist derzeit wieder häufig anzutreffen.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Die grün-rote Koalition pflegt systematisch die Schnee-Spuren entlang der Auto-Bahnen. Was man dafür tun muss? Nichts. Bloß nicht zu viel räumen oder streuen auf den Radwegen.

Glosse von Bernd Kastner

Früher mal waren sie schwarz, dann wurden sie rot bepinselt, später auch noch grün, und jetzt haben die Radwege schon wieder eine neue Farbe: weiß. Nicht dass die Rathauskoalition der CSU nachgegeben hätte, die in der bisher grün-roten Farbgebung illegale Wahlkampfhilfe für die Regierenden sehen könnte. Die neue Farbe schenkt vielmehr, alle Jahre wieder, der Winter. Und weil die PS-Koalition von Dieter Reiter nicht nur großen Autos, sondern auch Wintersportlern den Weg bereitet, werden die Schneebahnen entlang der Autospuren systematisch gepflegt. Echte Radler freut diese Herausforderung. Auf geräumten und gestreuten Wegen kann jedes Kind und jede Hundertjährige fahren, einen weißen Weg bewältigen nur die Eisradler und -radlerinnen.

Solche Trails zu schaffen ist ganz einfach, das Baureferat ist geübt darin. Man macht nichts. Einfach gar nichts, der Icetrail entsteht von ganz allein. Okay, man kann auf jeden Quadratmeter drei Splittkörnchen verteilen, wenn mal einer der unsicheren Sommerradler meckert. Mehr aber nicht, es gilt den Rutschfaktor zu wahren. Denn ein Extremsportler liebt den Thrill. Die einen träumen davon, im Wingsuit vom Olympiaturm zu segeln, die anderen radeln im Dezember in München zur Arbeit. Die einen hoffen, dass sich ihr Fallschirm öffnet, die anderen berechnen ihre Überlebenschance, wenn ihr Rad kippt und gerade ein Lastwagen überholt.

Fällt Schnee, zeigt sich die Vielfachqualität jener Wege, die von der Auto-Bahn nur mit Strichen getrennt sind. Schutzstreifen sagt die Straßenverkehrsordnung dazu, im Baureferat nennt man sie Triple Use Lane. Ein Weg, dreifacher Nutzen. Die Radler sind den Automobilisten nicht mehr im Weg, zugleich bietet die Velospur Platz, um den Schnee nach rechts zu räumen. Und auch die Radelnden profitieren: Innerhalb weniger Stunden bilden ihre Reifen Eisrillen. Im Vergleich dazu ist jeder Singletrail für Mountainbiker eine langweilige Chaussee.

In dieser grau-weißen Pracht kommt nun die CSU-Opposition angeschlittert und mäkelt sozusagen als Moralapostel herum. Verlangt sie doch glatt: "Sicherheit auf Radwegen erhöhen - Salz streuen!" Denken denn diese christ-sozialen Klimaquengler bloß an die Verkehrswende? Und gar nicht an die Zukunft? Denn für die nächste Olympia-Bewerbung arbeiten sie im Rathaus bereits eine Ice Bike Competition aus, als Alleinstellungsmerkmal der Bike Capital Munich. Nur gut, dass sie in der CSU bisher nicht auf die Idee gekommen sind, auch noch das Räumen und Enteisen der Münchner Fahrradstraßen zu fordern. Diese Eisradel-Refugien bleiben vorerst schmutzig weiß, Schwarz-Rot-Grün sei Dank.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusGlasscherbenviertel in München
:Wie ist es wirklich, im Hasenbergl zu leben?

Schönheit ist woanders. Mag sein. Aber die meisten Leute im Hasenbergl lieben ihr Viertel. Obwohl der Ruf noch immer schlecht ist. Warum eigentlich?

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: