Süddeutsche Zeitung

Klimaschutz:Das wünscht sich München von Söder und Habeck

Um die Klimaneutralität schnell zu erreichen, fordert die Rathaus-Koalition von Bund und Bayern mehr Unterstützung beim Bau von Windkraftanlagen. Doch die Abschaffung der umstrittenen 10-H-Regelung ist nicht ihr einziges Anliegen.

Von Thomas Anlauf

Zwei Tage vor dem geplanten Treffen zwischen dem Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zur Windkraft sendet die Münchner Rathauskoalition ein deutliches Signal an die beiden Spitzenpolitiker. Die Fraktionen von Grünen/Rosa Liste und SPD/Volt fordern in einem gemeinsamen Antrag, dass sich Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) bei der Bundesregierung für eine deutliche Erleichterung beim Bau von Windkraftanlagen einsetzt. "Eine gesetzliche Neuregelung hätte erhebliche Auswirkungen auf erweiterte Möglichkeiten in unserer Region München", heißt es in der gemeinsamen Erklärung von Grün-Rot.

Die in Bayern geltende 10-H-Regelung, wonach eine Windkraftanlage mindestens den zehnfachen Abstand der Windradhöhe zu einer Wohnbebauung haben soll, könnte nach Ansicht der Koalition im Münchner Rathaus einfach gekippt werden, indem die sogenannte Länderöffnungsklausel im Bundesbaugesetzbuch gestrichen wird. Die bestehende 10-H-Regelung schränke die Möglichkeiten eines Ausbaus der Windkraft so ein, "dass ein wirtschaftlicher Betrieb schwer realisierbar ist".

2020 wurden in Bayern nur drei Windräder neu gebaut

Der grün-roten Koalition in München ist es wichtig, dass neben Bürgerwindkraft-Anlagen vor allem die Stadtwerke München ihre erneuerbaren Energiequellen auf regionaler Ebene stark erweitern könnten. So aber sei der Ausbau der Windenergie in Deutschland seit 2015 um mehr als 40 Prozent zurückgegangen. Besonders dramatisch sei die Entwicklung in Bayern, wo im Jahr 2020 laut Grün-Rot lediglich drei Anlagen errichtet wurden, wo die 10-H-Regel gilt, deutschlandweit jedoch 770 Windräder.

Sorgen bereitet Grünen und SPD zudem, dass die Anforderungen für Artenschutzgutachten, um eine Windkraftanlage überhaupt zu errichten, so gestiegen seien, dass sich die Kosten für die Gutachten innerhalb von zehn Jahren auf etwa 100 000 Euro verzehnfacht hätten. Doch das sei gerade von Bürgerwindkraft-Initiativen finanziell nicht zu leisten. Erst im Herbst hatte Grünen-Stadtrat Bernd Schreyer Bürgerwindkraftanlagen im Forst Kasten ins Spiel gebracht. Seiner Ansicht nach könnten Teile des Waldes, der der Heiliggeistspital-Stiftung gehört, künftig nicht für Kiesabbau, sondern für Windkraft genutzt werden.

Doch diese Idee hat nun einen Dämpfer bekommen. Günter Beermann, dessen Münchner Unternehmen Beermann Energiesysteme 1999 in Fröttmaning die erste Windkraftanlage in München errichtet hat, sieht das Vorhaben skeptisch. "Technisch ist es möglich, windtechnisch auch", sagt der Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens der SZ. "Aber es ist im Forst Kasten aus anderen Gründen nicht möglich." Schließlich sei der Wald als Vorranggebiet für den Kiesabbau vorgesehen. Um dort Windkraftanlagen errichten zu können, müsste erst der Regionalplan geändert werden. Zudem könnte es Probleme mit den Schallgrenzwerten geben, sollte eine Windanlage zu nah an einem Wohngebiet errichtet werden. Für Beermann ist klar: "Forst Kasten ist dafür wirklich keine Option."

Die Aktivisten von Fridays for Future fordern konkretere Schritte hin zur Klimaneutralität

Dabei will der Stadtrat an diesem Mittwoch den sogenannten Grundsatzbeschluss II zur bis ins Jahr 2035 angestrebten Klimaneutralität verabschieden. Münchner Aktivistinnen und Aktivisten der Bewegung Fridays for Future wollen deshalb von 8 Uhr an vor der Versammlungsstätte im Showpalast in Fröttmaning mit einem 60 Meter langen Banner demonstrieren. Sie fordern konkretere Schritte, um die Klimaneutralität in München zu erreichen. Die Klimaschützer "begrüßen dabei die grundsätzliche Stoßrichtung des Grundsatzbeschlusses".

Allerdings kritisieren sie "den Mangel an Konzepten für wichtige Bereiche wie Wirtschaft und Dienstleistungen sowie Lebensstile". Clara Bosch, Sprecherin von Fridays for Future München, betont: "Dass das 2035-Ziel sehr ambitioniert ist, bestreitet niemand. Dennoch darf es gerade angesichts vieler Unbekannter und möglicher Spielräume nicht als unerreichbar abgeschrieben werden - wir müssen weiterhin versuchen, so schnell wie möglich große Transformationen anzustoßen."

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Quelle:
SZ/ust/imei/kafe
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