Neues Wimmelbuch aus München:"Leute mosern, wenn etwas nicht ganz genau stimmt"

Lesezeit: 3 Min.

Szenen aus München: Der Viktualienmarkt gehört zu den Klassikern in Münchner Wimmelbüchern, auch im Band von Zeichnerin Mo Büdinger. (Foto: Stephan Rumpf)

Wimmelbücher über München verkaufen sich gut, nicht nur an Familien: Illustratorin Mo Büdinger über die Kunst im Kleinen, ihr Horror vor der Allianz Arena - und die größte Gefahr für das fertige Bild.

Interview von Philipp Crone

Mo Büdinger klappt ihr München-Wimmelbuch auf, erste Seite, Marienplatz, 98 Figuren. Kinder können hier Hunderte, ach was, Tausende Male draufschauen. Dementsprechend viel Arbeit ist es auch von einem weißen Blatt Papier bis zu einem Wimmelbild, aber es scheint sich zu lohnen. Mit Büdingers in diesem Jahr neu aufgelegtem und überarbeitetem Band gibt es nun schon eine Handvoll dieser Zeichenbücher über München. Die Stadt scheint offenbar einiges herzugeben. Die 52-jährige Münchnerin lehnt sich in ihrem Büro am Schlachthof zurück und erzählt von wichtigen Klischees, kleinen Geheimnissen, dem großen Ali Mitgutsch und der allgegenwärtigen Kaffee-Gefahr.

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

SZ: Wenn man nach dem Wimmelbuch-Erfinder und Übervater des Genres Ali Mitgutsch nun ausgerechnet ein Wimmelbuch über dessen Heimat München macht, braucht es da Größenwahn?

Mo Büdinger: Man darf sich damit nicht vergleichen. Es ist etwas anderes. Auch ein anderer Stil. Mitgutschs Bilder sind ja gar nicht so voll. Bei mir überschneiden sich Dinge und Personen mehr, er hat mehr Personen, ich mehr Gegenstände. Auch die anderen Illustratoren von München-Wimmelbüchern, die unterscheiden sich alle stark.

Na ja, die Schauplätze sind immer die gleichen: Marienplatz, Olympiapark, Oktoberfest, Viktualienmarkt.

Die kennen die Kinder eben, und man erreicht auch die Touristen. Die sind auch die Zielgruppe.

Ist München besonders gut wimmelbar?

Schon. Zum einen ist es eben eine Großstadt. Und es gibt herrlich viele Traditionen und Klischees, die man abbilden kann.

Welche Orte könnte man nur für Münchner zeigen?

Vielleicht die Eisbachwelle, den Monopteros, Allianz-Arena? Wobei das für mich ein Horror wäre, eine volle Tribüne mit Tausenden Gesichtern.

Wimmelbuchautorin Mo Büdinger in ihrem Atelier. (Foto: Stephan Rumpf)

Sie zeichnen das alles von Hand?

Ja, es geht bei einem leeren Blatt Papier los. Ich starte meistens mit den Gebäuden, das gibt Struktur. Und dann kommen die Figuren. Und die müssen auch immer irgendwas machen, am besten etwas Lustiges. Die Kinder müssen Geschichten entdecken.

Und immer wieder gleiche Figuren?

Gibt es, bei mir taucht nur immer wieder König Ludwig auf.

Mitgutsch lässt in seinen Bildern dauernd Kinder oder Hunde pinkeln.

Das finden Kinder lustig, und es unterstützt den Such-Effekt. Denn es geht ja auch nicht nur darum, etwas anzuschauen, sondern auch darum, zu suchen und zu entdecken.

Was passiert beim Wimmelbuch-Anschauen? Lesen ist es ja nicht. Und es ist das Gegenteil einer Geschichte: kein Hauptdarsteller, Hunderte Komparsen.

Entdecken, suchen und die Eltern fragen, glaube ich. Das Hirn ist bei Kindern ja noch recht leer und wird da wunderbar aufgefüllt.

Manche lesen diese Bücher jahrelang.

Ich habe es als Kind auch geliebt! Das ist wie Musik, die du immer wieder hörst, weil dir eine Melodie so gut gefällt. Du kennst das Stück auswendig, aber es berührt dich immer wieder.

Kann man auch zu viel wimmeln?

Ich glaube nicht. Es gibt Kollegen, die machen die Bilder noch voller. Das englische "Where's Waldo" zum Beispiel. Die sind ganz klar und linear gezeichnet, bei mir mit Aquarell und Buntstift.

Beim Marienplatz dauert schon das Zeichnen des Rathauses ein paar Tage. Denn wenn etwas nicht stimmt, mosern die Leute. (Foto: Stephan Rumpf)

Aber zunächst Bleistift und Radiergummi.

Ja, wenn ich so ein Bild beginne, brauche ich schon erst einmal einige Tage für die Skizzen, dann kommen erst die Farben. Beim Marienplatz hat das Rathaus allein recht lang gedauert. Weil die Leute sofort mosern, wenn etwas nicht ganz genau stimmt. Zwei bis drei Wochen dauert so ein Bild schon.

Ganz am Ende kann man das dann schon auch noch ruinieren, oder?

Oh ja, geht ganz leicht mit einer Tasse Kaffee. Ich lege das Bild dann auch immer rechtzeitig zur Seite und decke es ab.

Neue Wimmelbücher kleben den Menschen auch Handys ans Ohr.

Die gibt es bei mir jetzt auch, dazu Masken, auch mal unter der Nase. Und mehr Nationalitäten, so wie sich die Stadt eben verändert.

Wimmelbilder widerstehen dem Digitalisierungstrend?

Klar. Kinderbücher ohnehin. Die müssen angefasst und geblättert werden.

Sind Sie eigentlich auch irgendwo zu sehen?

Ja. Zusammen mit ein paar Freunden, die musste ich bei der Überarbeitung aber zum Teil erst mit Bärten versehen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusBildung in München
:"Die sozialen und emotionalen Folgen für Kinder sind enorm"

Seit seinem Amtsantritt muss Stadtschulrat Florian Kraus vor allem Krisenmanagement betreiben. Ein Gespräch über die Probleme des Distanzunterrichts, verzögerte Sanierungen und was ihm eigentlich am Herzen läge, wenn nicht Pandemie wäre.

Interview von Kathrin Aldenhoff und Anna Hoben

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: