Prozess um Vorteilsnahme:Gutscheine für Polizisten: Wiesnwirt gewinnt vor Gericht

Prozess um Vorteilsnahme: Der Oktoberfestwirt Günter Steinberg als Ehrendirigent beim traditionellen Konzert der Wiesn-Kapellen unter der Bavaria.

Der Oktoberfestwirt Günter Steinberg als Ehrendirigent beim traditionellen Konzert der Wiesn-Kapellen unter der Bavaria.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Günter Steinberg und seine Ehefrau verteilten jahrelang Oktoberfest-Gutscheine an Beamte. Die Staatsanwaltschaft wittert Vorteilsnahme und stellt Strafbefehle aus. Dagegen wehrt sich das Paar. Einem weiteren Wiesnwirt droht Ähnliches.

Von Andreas Salch

Nein, das hier ist nicht die Welt des Groß-Gastronomen Günter Steinberg, das ist ihm anzusehen. Der Wiesn-Wirt des Hofbräu-Zelts musste am Dienstagmorgen mit seiner Frau Margot vor einem Strafgericht am Amtsgericht München erscheinen. Die gepolsterten Sitze der Anklagebank, auf der das Wirtsehepaar im Saal A 101 Platz nehmen musste, sind abgesessen. Kein Ort der Gemütlichkeit. Die Staatsanwaltschaft legt Günter Steinberg und seiner Frau Vorteilsgewährung in Mittäterschaft zur Last.

Zur Wiesn in den Jahren 2014 bis 2018 schenkten die beiden der für ihren Wohnort zuständigen Polizeiinspektion (PI) Grünwald 50 Gutscheine im Wert von rund 1000 Euro für je eine Mass Bier und ein halbes Hendl. Das Amtsgericht hatte deswegen Strafbefehle gegen das Wirtsehepaar erlassen. Im Fall von Günter Steinberg waren es 90 Tagessätze à 300 Euro, bei seiner Frau ebenfalls 90 Tagessätze à 100 Euro. Weil beide dagegen Einspruch einlegten, wurde die Sache nun vor dem Amtsgericht verhandelt. Anton "Toni" Roiderer, dem Wirt des Hacker-Zelts auf der Wiesn, blüht demnächst dasselbe: Auch er überließ der Grünwalder Polizei Wiesn-Gutscheine und bekam einen Strafbefehl.

Ins Visier der Staatsanwaltschaft gerieten Günter und Margot Steinberger 2019 im Zuge der Ermittlungen gegen den damaligen Leiter der Polizeiinspektion Grünwald, Andreas A. Ihm wurde vorgeworfen, zwischen 2014 und 2019 Champagner und andere Geschenke von Unternehmen sowie Gutscheine für das Oktoberfest entgegengenommen zu haben. A. war daraufhin vom Dienst suspendiert worden und erhielt einen Strafbefehl wegen Vorteilsnahme, den er akzeptiert hat.

In München sei es Tradition, dass die Wiesn-Wirte Gutscheine verteilen, so Steinberg

Kurz nachdem die Vorsitzende Richterin am Dienstag die Verhandlung eröffnet hatte, meldete sich Günter Steinberg zu Wort und fragte, ob er etwas sagen dürfe. "Sie dürfen", erwiderte die Richterin - und schon legte der 82-Jährige mit weit ausholenden Armbewegungen los. Dass er und seine Frau der PI Grünwald zur Wiesn Bier- und Hendlgutscheine spendierten, sei richtig. "A scheene Wiesn wünsch mer eich", hätten sie zu den Beamten gesagt.

Und überhaupt: In München sei es Tradition, dass die Wiesn-Wirte vom Wirtesprecher dazu aufgefordert werden, zum Oktoberfest Gutscheine zu verteilen - und zwar an die, "die einem das ganze Jahr helfen". Er und seine Frau hätten mit dieser Geste den Beamten "Dankeschön" sagen wollen, dafür, dass sie "den Menschen helfen und nicht uns".

Die Staatsanwaltschaft hingegen geht von "Klimapflege" aus. Die Gutscheine sollten zu einem "allgemeinen Wohlwollen" zwischen den Beamten und dem Wirtsehepaar führen. Günter Steinberg sagte, er habe nicht gewusst, dass es verboten sei, der Polizei Gutscheine zu überreichen.

Tatsächlich war es der sogenannten Wiesn-Wache noch bis vor Kurzem gestattet, Gutscheine für Bier und Hendl anzunehmen. Wilhelm Schmidbauer, der ehemalige Präsident des Polizeipräsidiums München, hatte dies 2011 ausdrücklich genehmigt. Ein ehemaliger Beamter der Grünwalder PI sagte bei seiner Vernehmung, da die Wiesn-Wache Gutscheine annehmen durfte, hätten er und seine Kollegen keine Gewissensbisse gehabt. "Die in München machen es ja auch", habe er sich gedacht.

Günter Steinbergs Verteidiger, Rechtsanwalt Ulrich Ziegert, rechnete der Richterin vor, dass die Wiesn-Wache Jahr für Jahr 400 Gutscheine für eine Mass Bier und 400 Gutscheine für ein halbes Hendl allein von den Wirten der großen Zelte bekommen habe. Die Zuwendungen seiner Mandanten an die PI Grünwald würden sich dagegen geradezu bescheiden ausnehmen.

Am späten Nachmittag dann das Urteil: Die Vorsitzende Richterin sprach Günter Steinberg und seine Frau frei. Eine "Unrechtsvereinbarung" zwischen dem Wirtsehepaar und den Beamtinnen und Beamten der PI Grünwald sei nicht zu erkennen, lautete die Begründung.

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