Süddeutsche Zeitung

Schwanthalerhöhe:Büchergalerie Westend vor dem Aus

Das Haus an der Ligsalzstraße, das der Katholischen Kirche gehört, soll abgerissen werden. Die Mieter hängen in der Luft.

Von Lars Langenau, Schwanthalerhöhe

Die einzige selbständige Buchhandlung auf der Schwanthalerhöhe steht vor dem Aus. Die Immobilienverwaltung der Erzdiözese München-Freising hat den Mietvertrag der Büchergalerie Westend zum 30. Juni gekündigt. Die Erzdiözese will das 1889/90 erbaute Haus an der Ligsalzstraße 25 abreißen lassen und "völlig neu errichten". Das geht aus einer "Ankündigung der bevorstehenden Kündigung" des Mietvertrages vom 20. März hervor, gerichtet an Inge Kindermann, die Betreiberin der Büchergalerie. Verschickt wurde sie von der Erzbischöflichen Finanzkammer München.

Die Immobilienverwaltung versuche seit geraumer Zeit, die Mieter zum Auszug zu überreden, sagt Kindermann. Sie wohnt selbst in dem Haus und betreibt in Parterre ihren 1986 gegründeten kleinen Buchladen. Ihrer Meinung nach soll "das Haus möglichst geräuschlos entmietet werden". Mehrfache Nachfragen beim Eigentümer und der Hausverwaltung, ob sie ihren Buchladen zumindest bis zum noch nicht datierten Abriss weiterbetreiben könne, seien unbeantwortet geblieben. Auch eine Anfrage der SZ ließ die Erzbischöfliche Finanzkammer bisher unbeantwortet.

Sie wolle sich dem Druck nicht beugen, sagt Kindermann kämpferisch. Auch habe sie im Viertel noch keine finanzierbare Alternative für ihren nur 30 Quadratmeter großen Laden gefunden. Im Buchladen liegt inzwischen eine Unterschriftenliste zum Erhalt der Büchergalerie aus. Etwa 150 Personen haben laut Kindermann die Petition zum Erhalt dieser "wertvollen und lebendigen Institution in unserem Viertel" bisher unterschrieben.

Ursprünglich habe die Caritas das Haus "von zwei älteren Damen geerbt", sagt Kindermann. Die Mieten seien immer moderat gewesen. Mehrere Wohnungen an der Ligsalzstraße 25 seien aber in einem nicht mehr zeitgemäßen Zustand, zum Beispiel mit WC im Treppenhaus. Andere Mieter hätten sich selbst um eine Sanierung bemüht. In mehreren Schreiben wird fehlender Brandschutz angemahnt, auch dürfen die Balkone nicht mehr betreten werden, da sie angeblich einsturzgefährdet sind.

2015 habe die Erzdiözese das Haus gekauft, sagt Kindermann. Ein zunächst beauftragter Architekt habe für eine Kernsanierung plädiert. Ein dann beauftragtes Planungsbüro sei jedoch zum Schluss gekommen, dass das Haus nicht mehr saniert werden könne und abgerissen werden müsse. "Die Vielzahl und der Umfang der Mängel schließen eine wirtschaftlich sinnvolle Sanierung des Gebäudes aus", heißt es in dem Schreiben an Kindermann.

Allen Mietern seien zwar Ersatzwohnungen im Stadtgebiet im Besitz der Kirche angeboten worden. Teilweise befänden diese sich aber in anderen Stadtvierteln und lägen im dunklen Souterrain, sagt Kindermann. Zudem ist in den Ersatzwohnungen mit stark ansteigenden Staffelmieten zu rechnen, wie aus dem Schreiben an Kindermann hervorgeht. Für viele Mieter der Ligsalzstraße 25 seien diese Mehrbelastungen aber nicht zu leisten, sagt sie. Betroffen von der bevorstehenden Kündigung sind Kindermanns Angaben zufolge noch sechs Mietparteien. Darunter eine 86-Jährige, die auf Dialyse angewiesen sei, und eine 78-Jährige, die nun in großer Angst lebe, in ihrem Alter noch umziehen zu müssen.

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SZ vom 04.06.2020
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