Werkraum des Fablab vor dem Aus:„Asien lacht uns doch nur aus“

Lesezeit: 3 Min.

Neues ausprobieren, Berufsperspektiven kennenlernen: Das Fablab bietet Kindern Einblicke in verschiedene Techniken (Archivfoto). (Foto: Fablab München e.V.)

3-D-Drucken, Löten, Trickfilme erstellen: Im Fablab können sich Schülerinnen und Schüler in technischen Fertigkeiten ausprobieren. Doch nun geht der Werkstatt das Geld aus, Fördermittel fehlen – für manche Lehrkraft nicht nachvollziehbar.

Von Sophia Coper

Im Werkraum des Fablab München ist es nie richtig still. Selbst als die herumwuselnde Kinderschar nach einiger Ermahnung auf ihren Plätzen sitzt, kehrt keine Ruhe ein. Leise klackert es auf dem Tisch, hin und her schiebt sich der Druckkopf über das Blech des 3-D-Druckers. Gebannt verfolgen die Schüler und Schülerinnen der Grundschule an der Dachauer Straße 98, wie blaue Schlüsselanhänger langsam Form annehmen.

Die Aufmerksamkeit ist jedoch nur von kurzer Dauer. Nach einer Einführung soll die in zwei Gruppen aufgeteilte Klasse selbst tätig werden, auf den im Raum stehenden Bildschirmen blinkt schon Programm zum Modellieren von 3-D-Drucken. Überall im Fablab München gibt es Gelegenheit, Neues auszuprobieren, Programmieren, Lasercutten, Trickfilme erstellen – die Kinder können in die Welt der Technik schnuppern. Ein paar Meter entfernt von der 3-D-Drucker-Gruppe versuchen sich die restlichen Drittklässler gerade am Löten. Seit 2016 ist der gemeinnützige Verein im Gewerbehof im Westend ansässig. Technikbegeisterte können eine Mitgliedschaft erwerben, neben Wochenendkursen gibt es auch privat buchbare Geburtstags- und Ferienprogramme für Kinder- und Jugendliche.

Herzstück sei indes das Schulklassenprogramm, so Birgit Kahler. „Hier können wir alle erreichen“, so die Mitgründerin und Mitleiterin der Bildungsabteilung, „nicht nur diejenigen, deren Eltern es sich leisten können.“ Egal, ob Grund- oder Mittelschule, Gymnasium oder Fachoberschule - an jedem Tag des Schuljahres sei eine Klasse da, um den Umgang mit 3-D-Druckern oder Lasercuttern kennenzulernen, im letzten Jahr waren es nach Angaben Kahlers ungefähr 4400 Kinder- und Jugendliche aus dem gesamten Stadtgebiet. Das genaue Programm richtet sich nach der Buchung und den Wünschen der Schule - und werde insgesamt sehr gut aufgenommen. „Nicht nur die Kinder lernen die neuen Technologien spielerisch kennen“, sagt Kahler, „auch die Lehrkräfte sehen, dass es kein Hexenwerk ist.“

Finanziert wird Fablab durch Mitgliederbeiträge und Stiftungs- sowie Fördermittel. Insbesondere der Besuch von Schulklassen kann nur durch regelmäßige Bezuschussung gewährleistet werden. Für einen Vormittag belaufen sich die Kosten auf 600 Euro. „Das kann ich nicht verlangen“, so Kahler, gerade bei Brennpunktschulen könne nicht unbegrenzt Geld von den Eltern eingesammelt werden. Nachdem mehrere Förderungen dieses Jahr auslaufen und die Kosten - Material, Personal und Miete - gestiegen sind, steht das Fablab kurz vor dem Aus. „Wenn es das Schulprojekt nicht mehr gibt, weiß ich nicht, wie ich die Räume halten soll“, sagt die Mitgründerin. „Uns geht das Geld aus.“

Um eine längerfristige institutionelle Förderung hat sich Kahler bislang vergeblich bemüht. Angesichts der schwierigen Haushaltslage der Stadt ist dies auch in Zukunft unwahrscheinlich. Eine Sprecherin des Referats für Bildung und Sport betont, dass aufgrund der verordneten Sparmaßnahmen der Handlungsspielraum eingeschränkt sei. Bis 2027 soll das Bildungsreferat mehr als 1,3 Milliarden Euro einsparen. Um die Kosten zu strecken, mussten bereits mehrere Schulbaumaßnahmen um ein oder zwei Jahre verschoben werden.

Generell sei eine Regelförderung durch die Stadt gar nicht vorgesehen. Die Unterstützung laufe über sogenannte Bildungslokale, bei denen sich Schulen mit ihren Kooperationspartnern bewerben können. „Wir sorgen dafür, dass es Töpfe für solche Angebote wie Fablab gibt“, so die Sprecherin, „aber eben nur projektbezogen oder in Bezug auf eine Schule.“ Auch das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus sowie das Staatliche Schulamt in München verweisen darauf, dass sie für außerschulische Lernorte nicht zuständig seien.

„Meine Biene leuchtet“, freut sich ein Mädchen

Seit Jahren hangelt sich Kahler von Antrag zu Antrag. Regelmäßig müssen sie und ihr Team sich neue Projekte ausdenken, um Fördermittel zu generieren. Der reguläre Betrieb werde damit aber nicht finanziert, sagt Kahler: „Also das, was wichtig ist.“ Nun hoffe sie auf Spenden.

Während einer kurzen Pause springen die Grundschüler um ihre Lehrerinnen Bianca Schmitt und Amelie Gerhard herum. In den Händen halten sie kleine Badges, die sie soeben gelötet haben. „Meine Biene leuchtet“, sagt ein Mädchen strahlend. Für die Lehrerinnen ist es bereits der dritte Besuch. An der Grundschule an der Dachauer Straße 98 werde zwar technisches Basiswissen vermittelt, mit den Möglichkeiten des Fablabs sei das jedoch nicht zu vergleichen.

„Für einen 3-D-Drucker haben wir weder das Geld noch das Know-how“, sagen die Lehrerinnen, für umso wichtiger halten sie das Angebot in den Werksräumen im Westend - das einzige seiner Art in München. Die Jungen und Mädchen verlören nicht nur ihre Scheu vor der Technik, sie lernten auch, welche Berufsperspektiven es gebe. „Hier spielt sich die Zukunft ab“, so Schmitt, sie begreife es nicht, warum das Fablab Schwierigkeiten habe, institutionell gefördert zu werden: „Asien lacht uns doch nur aus.“

Nachdem die Pause beendet ist, wechseln die beiden Gruppen die Räume. Unbeirrt hat der 3-D-Drucker über das Blech geschabt, die Schlüsselanhänger sind um ein paar Millimeter gewachsen. „Machen wir das später selbst?“, fragt der kleine August. Nein, das gehe nicht, das dauere zu lange, so die Kursleiterin. Für den Schüler ist es keine große Enttäuschung: „Dann kommen wir eben irgendwann wieder.“ Birgit Kahler hofft das auch.

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