Süddeutsche Zeitung

Die Behörden sind schon alarmiert:Verdruss am Vergnügungsknoten

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Auf der Schwanthalerhöhe sind Nachbarn Kneipenlärm gewohnt, doch das Treiben in einer Brauerei führt jetzt zu massiven Beschwerden. Der Betrieb hat jedoch keine Gaststättenerlaubnis - und das Getümmel gilt als private Feier

Von Andrea Schlaier, Schwanthalerhöhe

Sie schäumen, die Nachbarn; es ist einiges in den vergangenen Jahren zusammengekommen an spätabendlichem Geklapper am Vergnügungsknoten des Viertels, Ecke Parkstraße/Schwanthalerstraße, wo sich auf engem Raum eine Kneipe an die andere reiht: Lokale wie "Schwarzer Dackel" oder "King Butt", vor denen in lauen Sommernächten die Leute die Straße regelrecht verstopfen. Den Groll mancher Bewohner zum Überlaufen gebracht hat nun anscheinend die kleine Hinterhofbrauerei "Broy" an der Parkstraße 6. "Vier Partys an vier Samstagen hintereinander, lautstarkes Geschrei vom Innenhof, wo sie einen Biergarten aufgebaut haben; es wird keinerlei Rücksicht auf die Anwohner genommen", hieß es. Einmal seien drei Mannschaftswagen der Polizei angerückt, leiser sei es hernach trotzdem nicht geworden. Aufgebracht führt eine Gruppe von Nachbarn in der jüngsten Sitzung des Bezirksausschusses diese Klage - auch wenn die inzwischen angeordnete Corona-Zurückhaltung und das kühle Wetter die Problematik womöglich bis auf weiteres von selbst lösen.

Der Fall ist rechtlich gesehen eigentümlich. Rudolf Stadler von der Polizeiinspektion 14 (Westend) spricht bei der Sitzung von einem "Graubereich". Weil die Brauerei bislang über keinen Schankraum verfüge und auch (noch) keine Gaststättenerlaubnis habe, seien Verstöße schwer zu ahnden: "Momentan sagen Beteiligte, wenn von uns jemand hinkommt: ,Das läuft alles auf privater Schiene'. Wir können da keinen Veranstalter packen wegen einer nicht angemeldeten Veranstaltung." Träfen sich im Innenhof sechs, acht Leute, die sagten "wir sind lauter Spezl", tue man sich mit Strafen schwer. Die Polizei warte auf eine Gaststättenerlaubnis fürs Broy, dann, sagt Stadler, "unterliegt der Betreiber Auflagen, und vieles wird sich ändern".

Das deckt sich im Grunde mit der Aussage von Johannes Mayer, Sprecher des Kreisverwaltungsreferates (KVR), der auf SZ-Anfrage erklärt: Da bisher kein Gaststättenbetrieb genehmigt sei und "laut Mitteilung der Polizei die Ruhestörung nicht in direktem Zusammenhang mit der Brauerei" stehe, sondern es sich um Privatveranstaltungen gehandelt haben solle, "ist hier bei Lärmbeschwerden die Polizei zuständig". Das KVR sei erst nach Erteilung einer Gaststättenerlaubnis tangiert. Diese könne - "unter Voraussetzung, dass die persönliche Zuverlässigkeit des Antragsstellers gewährleistet sei" - erteilt werden.

Wenn's dann soweit ist, so prognostiziert Rudolf Stadler in der BA-Sitzung, "fliegen die Anbauten im Hinterhof raus". Eine Nutzung als Biergarten, erläutert Thorsten Vogel vom Planungsreferat, sei der Lokalbaukommission (LBK) seit Kurzem "aufgrund von Anfragen beziehungsweise Beschwerden bekannt". Nach einer in Kürze anstehenden Ortsbesichtigung werde die Behörde über das weitere Vorgehen entscheiden. In der Bezirksausschuss-Sitzung fragen die Anwohner laut, "warum jemand eine Gaststättenerlaubnis bekommt, wenn er sich schon bei der Anbahnung nicht an die Regeln hält". Parteiübergreifend teilen etliche der BA-Mitglieder diesen Argwohn. Bevor der Unmut wieder überschäumt, rät Florian Kraus (Grüne) zum direkten Gespräch mit den Betroffenen.

Wie es scheint, rennt er damit offene Türen ein. Der Brauerei-Geschäftsführer, der sich nach seiner Brauerei André Broy nennen lässt, kommt mit seinem Team zu spät in die Bezirksausschuss-Sitzung, trifft vor der Tür, wie er später erzählt, aber auf die gerade herausströmenden Nachbarn. "Konstruktiv", sagt er, hätten sich die beiden Parteien am Straßenrand auseinandergesetzt, während im Pfarrheim von St. Rupert der BA weiter tagte. "Wir wollen wirklich keinen Stress produzieren und geben uns Mühe", so Broy. Er bitte aber auch die Nachbarn, sich direkt bei ihnen zu melden, wenn sie etwas störe und nicht zuerst die Polizei zu rufen. In den beiden Dependancen der Brauerei an der Occamstraße in Schwabing und der Thalkirchner Straße im Glockenbachviertel funktioniere das auch sehr gut. An der Parkstraße, sagt Broy, seien sie Zwischennutzer, bis der Eigentümer mit der Sanierung seines Hauses beginne. Das zur Brauerei umgebaute Hinterhaus, eine ehemalige Vulkanisierwerkstatt, solle dann abgerissen werden. "Wir sind vielleicht noch zwei Jahre hier."

Im Bezirksausschuss wird man die Gesprächsbereitschaft interessiert aufnehmen. Denn wenn sich die Broyianer auf einen konstruktiven Dialog einließen, wolle man darauf verzichten einen - auf Vorrat - mehrheitlich beschlossenen Antrag auf den Weg zu schicken: die Brauerei gewerberechtlich untersuchen zu lassen.

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Quelle:
SZ vom 19.10.2020
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