Relativ zu Beginn der Debatte trat Sybille Stöhr (Grüne) ans Rednerpult und sagte einen bemerkenswerten Satz. Eigentlich müsse man ehrlich sein zu den Menschen: "Wenn ihr euer Plastik in die Restmülltonne werft, wird es wenigstens hier verbrannt." Wenn die Menschen es hingegen brav zur Wertstoffinsel brächten und im Container entsorgten, könne es am Ende in den Weltmeeren landen. Das Problem ist: Die Wege des Plastikmülls sind intransparent. Recycelt jedenfalls werden nur etwa 18 Prozent. Das ist gesetzwidrig: Laut Verpackungsgesetz müssten es eigentlich 58,5 Prozent sein. "Das Verpackungsgesetz hat sein Ziel verfehlt", sagte Kathrin Abele (SPD). Den Menschen werde vorgegaukelt, dass das Plastik wiederverwendet werde. "Dem ist aber nicht so."
Es sind krasse Widersprüche wie dieser, die die Debatte um die Münchner Wertstoffinseln am Donnerstag im Kommunalausschuss des Stadtrats auf eine grundsätzliche Ebene hoben. Eigentlich ging es ja um die Verträge mit dem Dualen System Deutschland, besser bekannt als der Grüne Punkt, und den Firmen Remondis und Wittmann, die in München für die Wertstoffinseln zuständig sind.
Kommunalreferentin Kristina Frank (CSU) hat diese Vereinbarungen jüngst neu mit ausgehandelt, die für die kommenden drei Jahre gelten, also bis Ende 2023. Sie sehen einige Verbesserungen vor und sollen die teils verheerenden Zustände rund um die Inseln beenden, die sich durch die Corona-Pandemie und das veränderte Konsumverhalten der Menschen im Homeoffice nochmals verschlimmert hatten. So sollen die Container künftig etwa häufiger geleert werden. Durch die Zusammenlegung von Plastik- und Metallcontainern soll mehr Platz für Plastikmüll entstehen. Zudem soll die (Beschwerde-)Kommunikation mit den Unternehmen einfacher werden. Und die Container sollen häufiger gesäubert werden.
Die Regierungsfraktionen äußerten sich zwar wohlwollend über die Verbesserungen, waren zugleich allerdings höchst skeptisch, ob diese Wirkung zeigen werden. Grüne/Rosa Liste und SPD/Volt hatten deshalb Vertragsstrafen für die Entsorgungsfirmen gefordert, für den Fall, dass sie sich nicht an die Vereinbarungen halten. Die Container an ihrer Wertstoffinsel etwa seien seit Anfang Oktober nicht mehr geleert worden, sagte Kathrin Abele.
Der Forderung nach einem Pilotversuch mit der gelben Tonne, wie sie die Fraktion von FDP und Bayernpartei eingebracht hatte, erteilte Grün-Rot eine Absage. Die gelbe Tonne würde zu anderen Problemen führen, so die Argumentation. Der Auftrag müsste ausgeschrieben werden, dabei hätte der städtische Abfallwirtschaftsbetrieb keine Chance, weil er zu teuer sei. "Der Stadtrat wird seiner Verantwortung beim Thema Recycling nicht gerecht", schimpften die Jungen Liberalen anschließend in einer Pressemitteilung. München sei bei der Mülltrennung deutlich schlechter als andere Großstädte. Hier würden jährlich pro Kopf nur 5,4 Kilogramm Plastik gesammelt statt 30 Kilogramm wie im Bundesdurchschnitt. Das liege an dem unbequemen System der Wertstoffinseln, so der Vorsitzende Felix Meyer.
Dass das System falsch ist, darin sind sich also alle irgendwie einig, wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise. Auch darin, dass das System sehr kompliziert ist. Allein, was wäre das richtige System und wie kommt man da hin? In einer Zeit, in der die Herstellung von neuem Plastik historisch günstig ist - weil der Rohölpreis extrem niedrig ist? Die SPD hat vergangene Woche angekündigt, sie wolle prüfen lassen, ob München aus dem Dualen System aussteigen kann. "Die Lösung kann nicht sein, dass ein Multimillionengeschäft in private Firmen fließt", sagte Stadtrat Nikolaus Gradl im Kommunalausschuss. Hier müsse die Stadt München auf die Bundesgesetzgebung hinwirken.
Kommunalreferentin Kristina Frank denkt derweil schon mit Sorge an den November, wenn München sich wieder in einer Art Lockdown befinden und wieder mehr zu reinigen und zu entsorgen sein wird. Sie gibt sich zuversichtlich, dass es klappen wird, notfalls wolle sie aber die Betreiberfirmen der Wertstoffinseln "mit der Nase drauf stoßen".