Nach vier Wochen Schließung:München mistet aus

Wertstoffhof Langwied wieder geöffnet nach Lockdown aufgrund der Corona-Krise

Rund 40 Autos stehen morgens vor dem Wertstoffhof in Langwied. Wer später kam, musste kaum warten.

(Foto: Florian Peljak)

Die Wertstoffhöfe sind wieder offen, in der ersten Woche war hier auch viel los. Ein Besuch in Langwied zeigt: Manch einer stellt sich hier schon eineinhalb Stunden vorher an. Doch das bringt nichts.

Von Julia Hippert

Herbert Friedmann ist der erste, der an diesem Samstag um Punkt acht Uhr auf den Wertstoffhof in Langwied fährt. Ganze eineinhalb Stunden hat er da schon gewartet, um halb sieben war er da mit dem Transporter seiner Gartenbaufirma samt Anhänger. Darin: die Gartenabfälle seiner Kunden, die er jetzt zur Entsorgung fährt. Die müssen weg, es hilft ja nichts. Und vier Wochen lang ging das jetzt nicht.

So lange hatten die Münchner Wertstoffhöfe wegen des Coronavirus geschlossen. Viele nutzten die Zeit zu Hause zum Ausmisten. Hinzukommt die übliche Zahl an Umzügen, bei denen sich Menschen immer von Dingen trennen, die sich nicht in ihr neues Zuhause mitnehmen wollen. Wohnungen von Verstorbenen wurden weiterhin ausgeräumt, und weil viel im Internet bestellt wird, wenn Geschäfte zu haben, quellen viele Papiertonnen im Stadtgebiet über. "Pappe, Gartenabfälle und Sperrmüll sind die Top drei der Müllsorten, die gerade abgegeben werden", sagt Willi Schüler, der Pressesprecher des Abfallwirtschaftsbetriebs München (AWM).

Seit vergangenem Montag haben die Wertstoffhöfe nun wieder offen. In Langwied sind zwölf AWM-Mitarbeiter an diesem Samstag im Einsatz, genauso viele wie an einem normalen Samstag. Dazu kommen drei Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma, die den Einlass regeln, und fünf Helfer des Technischen Hilfswerks (THW) um den Verkehr zu lenken. Zur Mittagszeit sitzen Jonathan Schubert und die anderen THWler in der Sonne. Viel Verkehr gibt es da nicht mehr, die Autoschlange vom Vormittag hat sich aufgelöst.

Unter der Woche sah das anders aus. "Die Autos haben sich bis Allach zurückgestaut", erzählt Schubert. Besonders lang waren die Schlangen am Morgen. "Es lohnt sich nicht, früh aufzustehen, wie man jetzt sieht", sagt Schubert. "Dann lieber ausschlafen und sich später auf den Weg zum Wertstoffhof machen." Auch seien wohl viele unter der Woche gekommen, um den Samstag zu meiden. "Dabei ist heute viel weniger los als unter der Woche. Aber wer hätte das schon wissen können?"

Der AWM hatte für die ganze Woche mit einem großen Ansturm gerechnet und schon davor auf allen Kanäle die Regeln kommuniziert: An geraden Kalendertagen nur Autos, deren Kennzeichen auf eine gerade Zahl endet, an ungeraden Tagen entsprechend Kennzeichen, die auf eine ungerade Zahl enden. Und nur wer "dringenden Entsorgungsbedarf" habe, solle die Wertstoffhöfe anfahren. Aber was heißt das schon? "Der steht schon lang rum", sagt Hans Kiefel über den alten Punchingball, den er zu einem der mehr als 50 Container trägt. "Man verbringt mehr Zeit zu Hause und hat auch mehr Zeit. Also macht man das, was man schon immer machen wollte, wozu man aber nie gekommen ist."

Hauptsächlich Männer kommen an diesem Samstag zum Wertstoffhof. Die Mitarbeiter dürfen ihnen nicht, wie sonst üblich, beim Ausladen des Mülls aus den Autos helfen. Eine Maßnahme, die die Mitarbeiter schützen soll. Mit einem alten Hasenstall, der in ihrem Garten stand, ist Hedi Nestele gekommen. "Sah schlimm aus", sagt sie. Als sie dann noch einen schweren Sack mit altem Zement über den Wertstoffhof schleppt, schimpft sie ein bisschen, dass ihr niemand hilft.

Im Großen und Ganzen ist die Stimmung gut an diesem Samstag auf dem Wertstoffhof. Die Leute warten geduldig, bis sie an der Reihe sind, halten sich an die Regeln und die Anweisungen des Personals. "Wir sind recht zufrieden damit, wie die erste Woche gelaufen ist", sagt Schüler. "Die Münchner haben Geduld und Disziplin bewiesen. Dafür möchten wir uns gerne bei ihnen bedanken." Von diesem Montag an wird es auf der Internetseite des AWM ein Wertstoffhof-Barometer geben, ähnlich dem Barometer für die Wiesn-Zelte. Dort kann man sehen, wie viel gerade los ist auf jedem der zwölf Höfe der Stadt.

Auch Alex Grünwald findet, dass die Mitarbeiter auf dem Wertstoffhof alles gut im Griff haben. Er ist bereits zum dritten Mal in dieser Woche hier, auch er hat zuletzt zu Hause seinen Keller ausgemistet. "Unter der Woche war es schlimmer", berichtet er. "Da habe ich jeweils eine Stunde vor dem Tor angestanden." Grünwald und sein Kumpel Robert Hasner liefern unter anderem eine Gitarre an. Die sei kaputt, sagt Hasner. "Sie war schon beim Gitarrenbauer, aber der hat gesagt es lohnt sich nicht mehr, sie zu reparieren." Dabei funktioniert sie noch. Nur das Holz um das Schallloch ist ein wenig abgesplittert. Die Gitarre landet am Ende dann aber nicht in einem Müllcontainer. Ronny Enseleit rettet sie. "Ich habe schon die ganze Zeit überlegt, Gitarre zu lernen", sagt er. "Die Gitarre funktioniert ja noch. Der Schaden ist nur kosmetisch. Aber zum Lernen ist sie perfekt." Die Frau in seiner Begleitung ist skeptisch: Sie seien doch hergekommen, um Sachen loszuwerden - und nicht, um welche mit nach Hause zu nehmen.

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