Süddeutsche Zeitung

Bau von Büroimmobilien:Was im Werksviertel gerade entsteht

Bald werden große Bauprojekte wie das 65 Meter hohe "Optineo" und der "i-Campus" bezogen. Sie könnten den Charakter des Quartiers verändern.

Von Sebastian Krass

Die ersten Redner haben gesprochen, das Hornbläserquartett der Bayerischen Staatsoper hat die ersten Musikstücke gespielt, als Heinrich Norbert Maltz ans Mikrofon tritt und den Gästen des Richtfests die Geschichte dieses Ortes und auch ein Stück Stadtgeschichte vor Augen führt. Maltz, nach eigenen Worten "etwas über 88 Jahre alt", ist nicht nur Mit-Investor des 65 Meter hohen Büro-Bauprojektes "Optineo" im Werksviertel. Er ist auch auf diesem Grundstück aufgewachsen.

"Meine Eltern haben das Grundstück 1932 gekauft und auf dem ehemaligen Maffeischen Gutshof die Firma Optimol gegründet", erzählt Maltz. Hinter ihm steht das halb fertige, aber in seinen runden Formen schon gut zu erkennende Gebäude, das das Wirtschaftsprüfungsunternehmen KPMG komplett angemietet hat und voraussichtlich Ende des Jahres mit seinen 1900 Münchner Beschäftigten übernehmen wird. Während des Weltkriegs hätten seine Eltern "trotz siebenmaliger totaler Zerstörung immer weitergemacht" mit ihrem Mineralölunternehmen.

Die Familie Maltz lebte damals im alten, inzwischen abgerissenen Gutshaus an der Friedenstraße, dahinter die Gleise und der Ostbahnhof. Maltz' Perspektive auf die Schrecken des Krieges war eine andere: "Wenn wir als Kinder Sachen getauscht haben, waren Flaksplitter die wichtigste Währung", erzählt er später, nach dem offiziellen Teil des Fests. "Da war ich immer gut versorgt, weil ich das ganze Firmengelände zum Suchen hatte."

Heinrich Norbert Maltz hat die Firma Optimol später übernommen und ausgebaut. 1992 verkaufte seine Familie das Unternehmen, behielt aber das Grundstück, auf dem für einige Jahre eine Erweiterung des auf dem ehemaligen Pfanni-Gelände entstandenen Ausgeh-Areals "Kunstpark Ost" entstand. 28 Jahre habe es gedauert, erzählt Maltz, bis die vielen verschiedenen Eigentümerinnen und Eigentümer von Grundstücken sich mit der Stadt auf einen Bebauungsplan für ein neues 39 Hektar großes Stadtquartier verständigt hätten, das Werksviertel, das nun seit einigen Jahren entsteht.

Es soll ein dicht gebautes und vielfältig genutztes Areal mit architektonisch anspruchsvollen Projekten werden, das zugleich Teile seines alten industriellen Charmes behält. Vieles ist schon fertig, seit kurzem etwa der alles überragende 86-Meter-Hotelturm "Werk 4", vieles aber fehlt auch noch, etwa die 1150 geplanten Wohnungen und der Konzertsaal des Freistaats, der neben dem Werk 4 entstehen sollte, dessen Realisierung Ministerpräsident Markus Söder aber kürzlich in Frage gestellt hat.

Als klar war, was die Familie Maltz auf ihrem Grundstück bauen darf, machte sie sich auf die Suche nach einem Partner-Investor aus der Immobilienwirtschaft und fand das Unternehmen Wöhr und Bauer, das bereits mehrere Großprojekte in München gebaut hat, zuletzt die Tiefgarage am Thomas-Wimmer-Ring. Mit der Architektur für ihr Bürogebäude beauftragten Maltz und Wöhr und Bauer das Büro Nieto Sobejano aus Madrid, das in München die "Bavaria-Towers" am Vogelweideplatz und den neuen "Königshof" am Stachus entworfen hat. Auf dem Richtfest lobte Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner die Bauherren: "Hier wurde nicht gespart und der übliche Münchner Investorenbau errichtet, den man weiterverkauft. Man sieht dem Gebäude an, dass Sie für sich und für Ihre Zukunft bauen."

Das "Optineo" mit seinen 32 000 Quadratmetern Geschossfläche ist nur eines von mehreren großen Projekten im Werksviertel, die in diesem Jahr fertig oder zumindest so gut wie fertig werden - und die seinen Charakter wieder einmal verändern. Denn es sind in der Summe gewaltige Büroflächen, die da kommen: Neben dem "Optineo" steht an der Friedenstraße 4 ein neues 7600-Quadratmeter-Gebäude, das die Sparkasse betreiben wird. Es gehört zwar offiziell nicht zum Werksviertel, wirkt aber wie ein Teil davon.

Und ungefähr eine Fußminute die Friedenstraße hinauf ist die denkmalgeschützte Rhenania-Villa nicht nur saniert, sondern inzwischen von einem Büroensemble umgeben, das zum "i-Campus" gehört, hinter dem ein weiteres Münchner Traditionsunternehmen steht: der Elektronikkonzern Rohde und Schwarz (R&S), der auf seinem Grundstück nun auch groß in Immobilien macht. Gewaltige 110 000 Quadratmeter errichtet R&S in verschiedenen Bauabschnitten. Der größte Teil davon ist auf der Zielgeraden. Die Büroflächen rund um die Villa sind zum großen Teil an das Steuerberatungsunternehmen WTS Group vermietet. Dahinter stehen drei miteinander verbundene Komplexe, die R&S vor wenigen Tagen an einen Mieter übergeben hat: die Werbeagentur Serviceplan, die dort ihr neues Hauptquartier mit 1700 Beschäftigten einrichtet.

Das Werksviertel, auch das gehört zur Wahrheit dieses oft für seine raue Urbanität gepriesenen Quartiers, wird künftig zunehmend auch ein Ort für Business-Menschen in Kostüm und Anzug.

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