Weißenburger Straße in HaidhausenWie es mit Münchens umstrittenster Fußgängerzone weitergeht

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Die temporäre Fußgängerzone in der Weißenburger Straße hat die Gemüter erhitzt – nun wertet die Stadt die Ergebnisse des Verkehrsversuchs aus.
Die temporäre Fußgängerzone in der Weißenburger Straße hat die Gemüter erhitzt – nun wertet die Stadt die Ergebnisse des Verkehrsversuchs aus. (Foto: Robert Haas)

Die Stimmung in Haidhausen war mitunter vergiftet wegen des Verkehrsversuchs in der Weißenburger Straße. Bei einer Info-Veranstaltung nun geht es zwar höflich zu – doch die Stadt steht vor einer schwierigen Entscheidung.

Von Patrik Stäbler

Anna Pfeiffer und Thomas Voglgsang sind seit dem Start der temporären Fußgängerzone tagtäglich in der Weißenburger Straße zugegen – doch das war’s dann auch mit den Gemeinsamkeiten. So ist die 36-Jährige aus Haidhausen „begeistert“ von dem Verkehrsversuch, in dessen Rahmen auch acht Hochbeete aufgestellt wurden, um die sie sich als eine von mehreren Grünpatinnen kümmert. „Ich gehe da jeden Tag mit meinem Sohn hin und habe viele andere Anwohnerinnen kennengelernt“, schwärmt Anna Pfeiffer. „Das ist ein großer Mehrwert für uns.“

Ganz anders klingt das bei Thomas Voglgsang, Inhaber eines Buchgeschäfts in der Haidhauser Einkaufsmeile, die zwischen Weißenburger und Pariser Platz im vergangenen August für ein Jahr probeweise als Fußgängerzone ausgewiesen wurde. „Ich habe seither vier bis achtzehn Prozent weniger Umsatz“, klagt der Ladenbesitzer. „Für mich ist das existenzgefährdend.“ Wobei die Einbußen laut Voglgsang auch an den umliegenden Baustellen liegen könnten, an Corona-Nachwehen oder an „dem Shitstorm, den es in der Eröffnungsphase gegeben hat“.

Jene digitale Empörung ist nur ein Ausdruck der heftigen Auseinandersetzungen gewesen, die sich rund um Münchens umstrittenste Fußgängerzone entsponnen haben. Von einer Klage gegen den Verkehrsversuch, die dessen Start verzögerte, über Anfeindungen und beschmierte Plakate bis zu Boykottaufrufen einzelner Geschäfte reichte das Ausmaß des Zwists zwischen Befürworterinnen und Gegnern. Sie stellen auch an diesem Abend jeweils zur Hälfte die circa 180 Interessierten, die zur Infoveranstaltung des städtischen Mobilitätsreferats über die temporäre Fußgängerzone in der Weißenburger Straße in die Katholische Stiftungshochschule gekommen sind.

Bevor dort auf der Bühne mit Anna Pfeiffer, Thomas Voglgsang sowie anderen Anwohnenden und Gewerbetreibenden diskutiert wird, erläutert Mobilitätsreferent Georg Dunkel zunächst das weitere Vorgehen. Am 29. Juli wird die Fußgängerzone wieder abgebaut, ehe sich seine Behörde an die Evaluierung macht. Sprich: Die Verkehrszählungen und Studien sollen ebenso ausgewertet werden wie Rückmeldungen aus der Bevölkerung und Befragungen von Ladenbesitzern, Anwohnerinnen und Passanten. Auf Basis aller Erkenntnisse werde sein Mobilitätsreferat einen Vorschlag für die Zukunft der Weißenburger Straße erarbeiten, sagt Dunkel. Dieser soll dann dem Stadtrat vorgelegt werden, dem wiederum die Entscheidung obliegt.

Bei der Infoveranstaltung zur Fußgängerzone wird diesmal sachlich, höflich und konstruktiv diskutiert

Was schon jetzt feststeht: Der Stadtrat wird es nicht allen recht machen können. Schließlich gibt es auf der einen Seite viele Menschen in Haidhausen, die wie Anna Pfeiffer begeistert von der temporären Fußgängerzone sind – weil es weniger Verkehr und mehr Aufenthaltsqualität in der Einkaufsmeile gibt. Andererseits monieren Kritikerinnen und Kritiker des Projekts rabiate Radfahrer, zu wenig Bürgerbeteiligung und eine stümperhafte Umsetzung, zudem beklagen einige Gewerbetreibende in der Weißenburger Straße neben dem Wegfall der Parkplätze rückläufige Umsätze und fürchten steigende Mieten.

Diese konträren Positionen haben seit dem Start des Verkehrsversuchs die Stimmung in Haidhausen mitunter regelrecht vergiftet. Bei der Infoveranstaltung jedoch wird diesmal sachlich, höflich und konstruktiv diskutiert, wie Georg Dunkel am Ende der Veranstaltung erleichtert konstatiert. Ohnehin habe er den Eindruck, sagt Jörg Spengler (Grüne) vom Bezirksausschuss Au-Haidhausen, dass sich die Gemüter spürbar beruhigt hätten seit der Bürgerversammlung im April. Dort waren die Befürworterinnen des Verkehrsversuchs in der Mehrheit und beschlossen etliche Anträge zu dem Thema – unter anderem sogar die Forderung, die Fußgängerzone in der Weißenburger Straße bis zum Orleansplatz zu erweitern.

Das ist freilich Zukunftsmusik, wenn überhaupt. Aktuell sind Rathaus und Politik noch vollauf mit dem laufenden Verkehrsversuch beschäftigt, der laut Jörg Spengler – er zählt zur Gruppe der Befürworter – vor allem drei positive Erkenntnisse gebracht hat. Erstens habe der Lieferverkehr mehr Platz und funktioniere daher besser. Zweitens sei die Aufenthaltsqualität höher. Und drittens, „und das ist der größte Lerneffekt“, sagt der Grünen-Politiker: „Ich denke, wir haben alle gelernt, dass wir rücksichtsvoller miteinander umgehen sollten.“ Denn nur so könne Haidhausens zentrale Einkaufsstraße vom Zankapfel zu einer, so Spengler, „Straße für alle, einer Miteinander-Straße“ werden.

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