Haidhausen:Warum die Weißenburger Straße einen Farbanstrich erhält

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Mehr Farbe für die Weißenburger Straße: Gelbe Farbe wird auf den Asphalt aufgetragen. (Foto: Florian Peljak)

Die einjährige Testphase für eine Fußgängerzone zwischen Weißenburger und Pariser Platz hat schon vor ihrem Start das Viertel gespalten. Nun knüpfen sich die Hoffnungen der Befürworter an einen bunten „Straßenteppich“.

Von Patrik Stäbler

Francesco Sormani rollt den Teppich aus – nicht klassisch, sondern himbeerrot. RAL-Farbe 3027, um genau zu sein. Dazu taucht der junge Mann, der an diesem Vormittag auf der Weißenburger Straße in Haidhausen kniet, eine Malerwalze in einen großen Topf, streift sie sorgsam ab und rollt sie danach vor und zurück über den Asphalt. Dort wiederum ist mit Panzertape ein Quadrat abgeklebt, exakt 35 mal 35 Zentimeter groß – mithin die Abmessungen der „Münchner Gehwegplatte“, ein Klassiker der Pflasterkultur, über den man in der Stadt allenthalben hinweggeht.

Und genau diese Vertrautheit sei der Hintergrund für all das, sagt – während er eine ausladende Armbewegung macht – Anouar Mahmoudi. Er steht nur wenige Meter neben Francesco Sormani, der inzwischen das nächste Quadrat himbeerrot färbt. Die beiden jungen Männer, die diese Aktion federführend mit Sebastian Stoll, Annabell Aichele und Daniel Wolfram betreuen, gehören zur Initiative „Die Städtischen“, die in den vergangenen Jahren mehrfach durch so nennen sie das „Interventionen im öffentlichen Raum“ für Aufsehen gesorgt hat. Beispielsweise verpassten die jungen Leute 2023 der zuvor doch recht hässlichen Unterführung am Ostbahnhof einen neuen, pinken Anstrich.

Nun haben sich „Die Städtischen“ also die Weißenburger Straße vorgenommen – die jüngste und zweifellos umstrittenste Fußgängerzone in München. Entsprechend sei ihre Aktion namens „Straßenteppich“ nicht nur als Verschönerung gedacht, die obendrein Autofahrer zur Vorsicht mahnen und zu Fuß Gehende auf die Fahrbahn locken solle, sagt Anouar Mahmoudi. Sondern das Ziel sei es auch, „die Situation hier zu befrieden“. Denn eines hätten seine Mitstreiter und er recht schnell gemerkt, so der Architekt und Stadtplaner: „Es herrscht eine aufgeheizte Stimmung.“

Tatsächlich hat die einjährige Testphase für eine Fußgängerzone zwischen Weißenburger und Pariser Platz schon vor ihrem Start im August zu hitzigen Diskussionen im Viertel geführt. Während auf der einen Seite viele Anwohner eine Verkehrsberuhigung von Haidhausens zentraler Einkaufsmeile befürworten, gibt es zugleich auch kritische Stimmen – nicht zuletzt von den dortigen Geschäftsleuten. Sie fürchten unter anderem den Wegfall von Parkplätzen vor ihren Ladentüren und steigende Mieten in einer Fußgängerzone. Vor allem aber bemängeln sie, dass sie bei der Planung der Testphase nicht ausreichend informiert und miteinbezogen wurden – ein Vorwurf, den das städtische Mobilitätsreferat ebenso zurückweist wie der Bezirksausschuss Au-Haidhausen (BA), der den Verkehrsversuch angestoßen hat und mehrheitlich befürwortet.

Doch gerade in der Anfangszeit der Testphase ist die Stimmung in Haidhausen spürbar hochgekocht. Nicht nur führte eine Klageandrohung mehrerer Projektgegner zu einem verspäteten Start. Seinerzeit wurden auch Plakate beschmiert; überdies war die Rede von Boykottaufrufen gegen Läden, deren Inhaber die Fußgängerzone ablehnen. „Dieses Projekt hat das Viertel gespalten“, beklagte sich unlängst eine Frau bei der Bürgersprechstunde zur Weißenburger Straße, die regelmäßig vor den Bezirksausschuss-Sitzungen abgehalten wird. Bei derselben Veranstaltung kritisierte ein anderer Besucher, dass die durch Metallstühle, Pflanzkübel und Hochbeete umgestaltete Einkaufsmeile gar nicht wirklich als Fußgängerzone genutzt werde. Schließlich blieben die meisten Passanten auf den Gehsteigen.

Anwohner Paul Käufl beteiligt sich mit Tochter Josefine am Abkleben der quadratischen Formen mit Klebeband. (Foto: Florian Peljak)
Zur Grundsubstanz der Farbe kommt die eigentliche gelbe Farbe hinzu. (Foto: Florian Peljak)

Und genau an diesem Punkt setzt nun der „Straßenteppich“ an, der der Fußgängerzone im Wortsinn einen neuen Anstrich geben soll. So werde man an mehreren Wochenenden und gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern ein buntes Muster aus Quadraten auf die Straße malen, erklärt Anouar Mahmoudi. Das werde sich durch die Fußgängerzone schlängeln und dabei mehrmals vom Gehsteig auf die Fahrbahn und wieder zurückführen. Die Idee dahinter: „Wir wollen die Fußgänger dazu einladen, die ganze Straße zu nutzen“, sagt Anouar Mahmoudi.

Zugleich solle die bunte Farbe den Autofahrerinnen und Autofahrern, die dort etwa in Form von Liefer- und Anwohnerverkehr immer noch unterwegs sind, signalisieren: „Achtung, dort ist was los!“ Neben dem Quadratemuster werde man in der Straßenmitte auch noch ein Hüpfspiel für Kinder auf den Asphalt malen, sagt Anouar Mahmoudi. Dies sei eine Anregung aus dem Bürgerworkshop gewesen, der im Januar mit circa 20 Anwohnenden über die Bühne gegangen war.

Zuvor hatte sich eine Mehrheit im Bezirksausschuss dafür ausgesprochen, die Aktion mit circa 10 000 Euro zu unterstützen – wiewohl es dort auch kritische Stimmen gab. Sie empfanden die Kosten als zu hoch und zweifelten zudem die Sinnhaftigkeit des Projekts an, da inzwischen nicht mal mehr die Hälfte der einjährigen Testphase verbleibe. Anouar Mahmoudi will dieses Argument indes nicht gelten lassen: „Die schönen Monate kommen ja erst noch“, betont der Architekt. Er gibt sich jedenfalls überzeugt: „Wir retten dieses Projekt.“

Die Initiative „Die Städtischen“ setzt ihre Aktion „Straßenteppich“ in der Weißenburger Straße an den nächsten beiden Wochenenden fort. Am Samstag und Sonntag ab 10 Uhr können sich von auch Bürgerinnen und Bürger daran beteiligen und unter Anleitung bunte Quadrate aufs Pflaster malen.

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