Kaum sind die letzten Schanigärten abgebaut, machen sich die Weihnachtsmärkte bereit. Der Christbaum auf dem Marienplatz wurde auch schon aufgestellt. Erstmals leuchten wird er aber erst am 25. November zur Eröffnung des Christkindlmarktes. Die städtischen Weihnachtsmärkte starten nicht vor diesem Termin, auch nicht die meisten anderen größeren im Zentrum. Denn traditionell beginnt die Weihnachtsmarkt-Saison erst nach dem Totensonntag, der in diesem Jahr auf den 24. November fällt. Er beschließt das evangelische Kirchenjahr und gilt in Bayern als stiller Feiertag.
Trotzdem beginnen manche Märkte in der Stadt schon in der ersten Novemberhälfte. Statt „Weihnachtsmarkt“ tragen sie oft unverfänglichere Namen wie „Hüttenzauber“ oder „Winterwonderland“ und haben am Totensonntag sowie eine Woche zuvor am Volkstrauertag geschlossen. Der erste Münchner Markt dieser Art hat seine Hütten schon an diesem Freitag in der Motorworld in Freimann geöffnet. Unter dem Motto „Driving Home for Christmas“ findet die „Winterworld“ zum zweiten Mal statt und läuft dieses Jahr eine Woche früher an als 2023.
Als Grund gibt Standortleiter Sebastian Olsowski an, dass man mit einem langen Eröffnungswochenende einsteigen wollte statt mit einem geschlossenen Sonntag wie im Vorjahr. Dazu soll sich der aufwendige Aufbau rentieren. Denn neben dem klassischen Angebot an Glühwein- und Essensständen gibt es in der Motorworld auch ein Riesenrad, eine Schlittschuhbahn und das „Wintervillage“ mit zehn Chalets. „Um das wirtschaftlich sinnvoll betreiben zu können, muss man früh anfangen“, erklärt Olsowski.
Der erste Rundgang durch die beleuchtete „Winterworld Motorworld“ war schon eine absurde Situation. Mit Glühwein in der Hand vom Weihnachtsmann begrüßt zu werden, Anfang November und noch dazu am Tag von Trumps Wahlsieg, der einem schwerer im Magen lag als die Käsespätzle. Olsowski sieht darin keinen Widerspruch, im Gegenteil. Das Bedürfnis zusammenzurücken sei groß, findet er, und Märkte wie die „Winterworld“ seien auch dazu da, das Gemeinschaftsgefühl zu stärken.
Sonja Weissler sieht das ähnlich. Sie ist Mitveranstalterin des Glühwein-Festivals am Cosimabad in Bogenhausen, das am 14. November beginnt. Sie hätten ausschließlich Stimmen erreicht, die sich über den frühen Festivalstart freuen. „Wenn man auf die Weltpolitik schaut, spielt das sicherlich eine Rolle, dass die Leute dem entfliehen wollen und das Bedürfnis nach Weihnachtszauber haben.“ Dazu kommt, dass Weisslers Veranstaltungsfirma im Oktober ihre Arbeit auf Sommermärkten beendet und ab da auf die Einnahmen der Wintermonate angewiesen ist. „Da bietet es sich an, dass man die Zeit mitnimmt und früh Umsätze generiert.“
Schon am Donnerstag vor Totensonntag startete in den vergangenen Jahren das Weihnachtsdorf in der Residenz in die Saison. Heuer geht es auch hier ein paar Tage früher los, nämlich am 18. November, am Montag vor Totensonntag. Angelika Rosai von der H&R Veranstaltungs GmbH sieht darin die Chance, Besucherströme besser zu verteilen: „Die Leute gehen nicht mehr so oft wohin und geben ein bestimmtes Kontingent aus. So entzerrt es sich auf mehrere Tage.“
Auch das „Winterwunderwerk“ im Werksviertel mit Schmankerlmarkt auf dem Knödelplatz ist in diesem Jahr wieder bei den Ersten dabei. Einerseits, damit sich der Aufbau von Eislaufbahn und Eisstockbahnen lohnt, andererseits um den umliegenden Firmen entgegenzukommen, sagt Chiara Scholz vom Veranstalter Eventfabrik. „Viele Firmen ziehen ihre Weihnachtsfeiern gerne in den November vor und wir haben letztes Jahr gemerkt, dass es sich mehr verteilt, sobald die anderen Märkte aufmachen. Da ist es von Vorteil, früh zu starten.“ Außerdem biete sich der Standort im Werksviertel gut als Feierabendtreffpunkt für die Büroleute an, erklärt Scholz weiter. Die würden nämlich eher nach der Arbeit als zum Mittagsgeschäft vorbeikommen.
In der Innenstadt baut gerade der Wintermarkt „Alpenwahn“ seine Buden auf dem Viktualienmarkt am Pschorr auf, um am kommenden Donnerstag loslegen zu können. Seit 2010 sei er immer unter den Ersten gewesen, sagt Veranstalter Michael Ludewig. Mittlerweile würden immer mehr Märkte nachziehen und zeitig öffnen, was aber völlig okay sei. „Der Bedarf ist da und jeder Markt hat seine Daseinsberechtigung.“ Um sich von anderen Konzepten abzuheben, gibt es beim „Alpenwahn“ neben Glühwein auch Bier und Champagner, dazu läuft anstelle von Weihnachtsliedern Pop-Rock oder Jazz.
An den Wochenenden in der Vorweihnachtszeit würden natürlich viele Touristen den Viktualienmarkt besuchen, doch die Hauptklientel vom „Alpenwahn“ seien Einheimische, die nach der Arbeit kommen, sagt Ludewig. Deswegen beginne sein Hauptgeschäft um 18 Uhr. Im ersten Winter nach der Pandemie sei der Betrieb noch verhalten angelaufen, dagegen war es im vergangenen Jahr anders. „Die Leute wollen aus dem Home-Office rauskommen, sich nach der Arbeit treffen und in Gesellschaft besprechen, was sie bewegt.“ Darauf haben die Münchner offenbar schon Anfang November Lust.