Der große Weihnachtsbaum vor dem Münchner Rathaus leuchtet wunderschön in diesen Tagen. Über die Buden hinaus, in denen Glühwein und Eierpunsch zu astronomischen Preisen ausgeschenkt werden. Über die Händlerinnen hinweg, die handgestrickte Socken, dicke Pullis und Hosentaschenöfen feil bieten - die gesamte Weihnachtsausrüstung halt, die man braucht, wenn die gute Stube an Heiligabend nicht beheizt ist.
Dieser Baum vor dem Rathaus ist alle Jahre wieder ein Thema für hitzige Diskussionen. Mal ist er hässlich, mal schief, mal sind die Nadeln zu braun, zu grün, zu lila, mal hat er augenscheinlich einen Hagelsturm schlecht überstanden. In diesem Jahr wurde kurz überlegt, ob man "in diesen Zeiten" die vielen Lichtlein auf den Ästen überhaupt anschalten darf. Die Furcht vor einer saftigen Stromrechnung von den Stadtwerken und die Sorge, ausgerechnet vom Rathaus aus ein leuchtendes Fanal für extrem unnachhaltige Energieverschwendung zu setzen, wich dann aber der Freude angesichts leuchtender Kinderaugen. Sie wich der Freude auf Gesichter, die dieser Christbaum zum Strahlen bringen könnte. Gerade in diesen Zeiten.
Im fernen Delmenhorst sucht die Polizei zurzeit nach den Verfassern eines Drohbriefes wegen üppiger Weihnachtsbeleuchtung. Seit gut 20 Jahren dekoriert dort eine Familie ihr Haus, diesmal mit 60 000 LED-Leuchten. Das Haus ist zur Attraktion geworden, Besucher spenden für einen guten Zweck. Hilft alles nichts. Die Erpresser drohen "bei Nichtbefolgen mit Entfernung der Lichter durch Dritte". Die Polizei patrouilliert. Bei der traditionellen Nikolaus-Vorlesung im Fachbereich Chemie an einer norddeutschen Uni zischte und knallte es diese Woche wie gehabt, die Professoren brachten aber lieber eine Essiggurke mit all ihrer Expertise zum Leuchten, als dass sie sich trauten, eine Steckdose zu benutzen.
In Schwabing hängen sie gerade ihre stylischen Designerleuchten ab. Die Teile sind leider nur mit 100-Watt-Birnen zu betreiben. Wenn das der Nachbar durchs Fenster sieht. Damit kann man heutzutage ganze Stadtviertel erleuchten. In Harlaching lästern sie über Leute, die total unsensibel ihre Lichterketten vom Vorjahr im Garten aufhängen. Die trauen sich was. Ein Kollege kam neulich schwer verunsichert aus einem Haidhauser Baumarkt zurück. Dessen neue Deckenlichter waren so schwach, dass ein Strahl nur matt das Regal erreichte. Es war so dunkel dort, dass er Schrauben mit Nägeln verwechselte. Und als der Kollege zur Abteilung kam, in der Lampen verkauft werden, waren diese alle ausgeschaltet.
Kommende Woche wird der italienische Tenor Andrea Bocelli die Lichter am berühmten Empire State Building in New York anknipsen. Das ist immer eine feierliche Angelegenheit mit viel Show. Der größte Hit von Bocelli lautet "Time to say Goodbye". Und auf dem Marienplatz in München? Hier stimmen bayerische Kapellen allabendlich auf dem Rathausbalkon Adventsmusik an: "Es wird scho glei dumpa, es wird scho glei Nacht."