Literatur:Der feuchte Dreck

Lausitzer Seenland - Geierswalder See

Schwimmende Ferienhäuser auf dem Wasser des Geierswalder See in Sachsen. Viele Menschen träumen von solchen Immobilien - gerade während der Pandemie.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)

Der Münchner Anwalt und Autor Reinhard Schultze beschreibt in seinem neuen Roman "Das Wasserhaus" den Kampf um Wasser. Offensichtlich brennt er für dieses Thema.

Von Antje Weber, München

"Auf zu neuen Ufern!" So lautet der Lieblingsspruch des technischen Leiters der Wasseraufbereitungsfirma "Wasser Südwest". Gerade hat er wieder eine Idee entwickelt, bei der nicht nur viel Geld auf dem Spiel steht, sondern auch einiger Nutzen für die Umwelt. Denn das 21. Jahrhundert, so weiß der Experte nur zu gut, "wird das Jahrhundert der Wasserkriege".

Der Autor Reinhard Schultze hat sich tief in die Fakten rund um das Thema Wasser eingegraben. Fünf Jahre lang hat der in München lebende Anwalt an seinem Roman gearbeitet. "Das Wasserhaus", nach wissenschaftlichen Veröffentlichungen sein zweiter Roman, ist stilistisch unauffällig und leider arg ausufernd geraten. Doch die weit ausgreifende Dramaturgie mit wechselnden Perspektiven ist wohlüberlegt, das Setting in der Oberschicht der Anwälte und Global Player aufschlussreich, das Thema Wasser ergiebig - und man merkt, um gleich einmal einer allzu flüssigen Metaphorik entgegenzuwirken, dass ein Feuer hinter diesem Projekt brennt. Wer sich über die Wasserproblematik Gedanken macht, die ja tatsächlich von immenser globaler Bedeutung ist, der findet in diesem Buch interessante Aspekte zum Nachdenken und Nachrecherchieren.

Denn die Idee, die den technischen Leiter der Firma "Wasser Südwest" im Roman umtreibt, hängt mit "Acid Mine Drainage" (AMD) zusammen. Der Begriff steht für das metallreiche Wasser, das beim Bergbau entsteht, wenn schwefelhaltige Mineralien ausgewaschen werden. Wenn die Kraterseen stillgelegter Gruben durch Regen nach Jahren überlaufen, gelangt das giftige Sulfat über Rinnsale schließlich in die Flüsse. Um dieses ökologische Desaster zu verhindern, so der Experte im Roman, könne man eine einfache Technologie ins Spiel bringen: biologische Pflanzenklärsysteme, "Constructed Wetlands". Diese weltweit zu vertreiben, sei eine Goldgrube, denn es lasse sich "nicht nur mit dem Graben nach Gold Geld verdienen, sondern umso mehr mit dem Dreck, den die Goldgräber hinterlassen".

Die Wege des Wassers sind verschlungen

Um zum Beispiel in Südafrika, einem vom Bergbau geprägten Land, groß ins Geschäft einzusteigen, soll eine mit der Wasserfirma eng verbundene Unternehmerin tätig werden. Im Roman wird sie meist "Ma" genannt; sie ist nicht nur eine durchsetzungsstarke Geschäftsfrau, sondern auch das unberechenbare Oberhaupt ihrer Familie. Denn der Roman will nicht nur Thesen-, sondern auch Familienroman über eine global agierende Familie aus dem Allgäu sein und erzählt ausführlich von den Eigenheiten der Mutter sowie den beruflichen und (homo-)erotischen Rangeleien vier erwachsener Kinder. Und von einer machtvollen Tradition im Hintergrund: Im Familienbesitz befindet sich auch eine Burg, in der bereits Napoleon nächtigte, zu ihr gehört das titelgebende "Wasserhaus".

Diese Burg nun will die Mutter als Sicherheit bei der Bank einsetzen, als sie bei ihrer zunehmend auf eigene Rechnung betriebenen Unternehmung in Kapstadt in Schwierigkeiten kommt - nicht alle Südafrikaner warten begierig auf ihre Pflanzenklärsysteme, die Geschäftsfrau erhält Drohungen, Unbekannte fackeln ihr Auto ab. Wie wird die Familie auf ihren Plan reagieren? Wie wichtig finden die Kinder, von denen jedes nach einer eigenen Agenda kapitalismuskonform oder aber -kritisch lebt, ein Wasseraufbereitungsprojekt in Südafrika?

Literatur: Reinhard Schultze hat sich tief in die Fakten zum Thema Wasser eingegraben.

Reinhard Schultze hat sich tief in die Fakten zum Thema Wasser eingegraben.

(Foto: privat)

Auf dem Weg zu den Antworten lässt Reinhard Schultze die Leser an seinem Wissen über Wassermanagement teilhaben. Vieles wird Leserinnen bekannt vorkommen, manche Information ließe sich vielleicht auch umstandsloser durch die Lektüre von Sachtexten gewinnen. Und doch folgt man Schultze mit Sympathie, wenn er auf verschlungenen Wasser- und Romanwegen eine bessere Welt anzusteuern versucht. In der Gewissheit: Bis alle wichtigen Fragen geklärt sind, wird noch viel Wasser giftige Flüsse hinunterfließen.

Reinhard Schultze: Das Wasserhaus, Roman, Grafit Verlag 2021, 447 Seiten, 16 Euro

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