München:Warte Zeit

RischArt

Foto: VG Bildkunst

Verwirrendes Kunstprojekt im Alltagsgetriebe

Von Stefanie Schwetz

Ludwigsvorstadt - Auf ungewohnte Objekte der Irritation stößt man derzeit am Münchner Hauptbahnhof - künstlerische Arbeiten, durch die der Fluss der üblichen Schnelllebigkeit ins Stocken geraten soll. Da sind die Uhren der Installation "Zeitfenster" von Franziska und Sophia Hoffmann (siehe Bild), die alle unterschiedlich ticken, so wie die vielen Menschen, die den Bahnhof täglich durchqueren. Da sitzt ein Paar stumm in einer Wohnküche, in der durch Lichtreflexe und Bewegung die Atmosphäre eines Zugabteils simuliert wird. Die filmische Arbeit von Clea Stracke und Verena Veit wirft Fragen nach Bewegung und Stillstand auf.

Eine Postkarte aus der Mal- und Schreibstube von Matthias Beckmann hat einen Weg zurückzulegen, wie die Reisenden in den Zügen. Zwei Männer in einem Kontrollraum warten auf "Bessere Zeiten" in der Raum- und Videoinstallation von Veronika Seibt. Endzeitstimmung kommt auf angesichts der tonlosen Zweisamkeit, bei der per Untertitel Fragen der menschlichen Existenz eingeblendet werden. "Nachdem wir alles verloren haben, haben wir die Freiheit, alles zu tun." Hatten das auch die Gastarbeiter, die in den Fünfzigerjahren kamen und in einem Bunker an Gleis 11 Zwischenstation machen mussten, bevor sie dem Produktionsbetrieb des Wirtschaftswunders zugeführt wurden? Willi Dorner hat den Bunker reaktiviert und gewährt dem Besucher einen 20-minütigen Aufenthalt an dieser "Endstation Zukunft".

Manch gehetzter Passant mag sich auf die Verwirrung, die all diese Arbeiten stiften, nicht unbedingt einlassen. Doch vielleicht kann man hier auf das Zeitmaß des Unterbewusstseins vertrauen, wo auch Objekte der beiläufigen Wahrnehmung schließlich ihren Niederschlag finden. Eine einzige Konfrontation ist dieses von Katharina Keller kuratierte Rischart-Kunstprojekt "Warte Zeit" mit seinen bewusst gesetzten Zeit-Inseln im Getriebe des Alltags. Und insofern ist der Bahnhof ein prädestinierter Ort dafür - ein Ort, der zwischen Eile und Warten die Zeit in sehr unterschiedlichen Erscheinungsformen repräsentiert. Bis zum kommenden Sonntag sind die Arbeiten noch täglich von 10 bis 20 Uhr zu besichtigen. Für die Bunker-Besuche zwischen 15 und 18 Uhr kann man sich an der Information in der Hauptschalterhalle anmelden. Näheres zu den einzelnen Exponaten und den beteiligten Künstlern ist unter www.rischart.de/art zu erfahren.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: