Münchner Kommunalpolitik:Schlaglichter des schwarzen Riesen

Walter Zöller im Rathaus in München, 2020

48 Jahre saß Walter Zöller für die CSU im Münchner Stadtrat - und regierte mit einer Mehrheit eine Weile gegen den SPD-Oberbürgermeister.

(Foto: Robert Haas)

Der ehemalige CSU-Stadtrat Walter Zöller stellt sein Buch mit politischen Anekdoten und Erinnerungen vor

Von Heiner Effern

Wenn ein schwarzer Riese und ein roter Riese aufeinander treffen, dann kann das ordentlich schieflaufen. Besonders wenn beide in der gleichen Stadt die Kommunalpolitik über viele Jahre geprägt haben, und das auch noch in rivalisierenden Parteien. Doch als Walter Zöller (CSU, 48 Jahre im Stadtrat) und Christian Ude (SPD, 21 Jahre Oberbürgermeister) am Mittwoch im Presseclub nebeneinander sitzen, tun sie das als Freunde, wie beide versichern. Wie es dazu gekommen sei, wird gefragt. Zöller gibt zwei Antworten, die beide sehr gut charakterisieren. Im politischen Duell hätten sowohl Ude auch als er nie den Säbel gewählt, sondern "immer das Florett", sagt er. Und legt nach: "Weil gute Leute sich irgendwann erkennen und auf einem gewissen Niveau treffen."

Wie es sich für Freunde gehört, steht der eine dem anderen bei, wenn dieser sein neues Buch vorstellt. Walter Zöller hat "Erinnerungen wie der Tag sie ergab" aufgeschrieben, Schlaglichter aus 48 Jahren im Stadtrat, und über seine politische Zeit davor. Ude präsentiert mit ihm in einer digitalen Pressekonferenz nicht nur das Buch, sondern hat auch das Vorwort dafür geschrieben. Das sei "lesenswerter als das Buch selbst", sagt Zöller. Und Freund Ude revidiert nur leicht, dieses sei "auch lesenswert". Irgendwie haben beide recht.

Ude schafft es, für den ersten Satz nicht nur elf Zeilen zu benötigen, sondern darin das keineswegs bescheidene Ego des einen wie des anderen sprachlich fein ziseliert und mit viel Selbstironie zu beschreiben. Angesichts der beiden Protagonisten waren die elf Zeilen eher knapp angelegt. Wenn der 80 Jahre alte Zöller und der 73 Jahre alte Ude sich über die Höhepunkte ihres politischen Lebens austauschen, dann geht es auf eine Zeitreise voller unterhaltsamer Anekdoten und wegweisender Entscheidungen, an denen beide natürlich immer auch maßgeblich beteiligt waren.

Zöller hat in den letzten Jahren vor seinem Abschied aus dem Stadtrat begonnen, Erinnerungen aufzuschreiben, die ihm angesichts aktueller Ereignisse durch den Kopf schossen. Diese Schlaglichter hat er im Buch aneinandergereiht, grad so wie sie ihm kamen. Wenn sie der Leser häppchenweise liest, sei er keinem böse, schreibt er selbst, Hauptsache man sei gut unterhalten. Blättert man sich durch die 127 Seiten, stößt man als Leser auf pralle Politik und geschickt eingefädelte Intrigen, auf machtpolitisch außergewöhnliche und aufgeregte Zeiten, zu denen viele jetzige Stadträte noch gar nicht geboren waren. Man erfährt zum Beispiel, wie in München die sogenannte Sofafraktion zu großem Einfluss kam. Warum der CSU-Chef Franz Josef Strauß dem jungen Zöller einen Kinnhaken angedroht und ihm später zum vielleicht ersten großen Deal von Schwarzen und Grünen persönlich den Segen gegeben hat. Dass Zöllers Widersacher und Nachfolger als CSU-Fraktionschef letztlich im Gefängnis landete. Und warum die "Chianti-Affäre" den völlig falschen Namen trägt.

Die genussfreudige Seite des Notars Zöller, dem gerne nachgesagt wurde, er könne sich wegen der drohenden Einkommenseinbußen keine Oberbürgermeister-Kandidatur leisten, scheint in dem Buch ebenfalls durch. Etwa wenn er spürbar beeindruckt beschreibt, wie er mit David Bowie in Venedig Wagner-Arien gesungen hat.

Aber warum nennt man Zöller den schwarzen Riesen? Drei Jahre lang, von 1987 bis 1990, regierte er als CSU-Fraktionschef mit einer Stadtratsmehrheit gegen die damals noch mächtigere SPD und ihren Oberbürgermeister Georg Kronawitter. Zöller beschreibt übrigens auch, wie er einen jungen Sozialdemokraten durch Taktieren und Drohen als neuen Kreisverwaltungsreferenten verhindert hat, der später quasi zu einem roten Riesen aufgestiegen ist: Christian Ude.

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