Hommage an Walter Röhrl:"Ich habe Bauchweh gehabt vor der Rallye"

Lesezeit: 3 Min.

"Bis dahin war ich ja ein ganz normaler Mensch": Walter Röhrl über die Olympia-Rallye 1972, bei der er erstmals für Schlagzeilen sorgte und nach der er Profi-Rennfahrer wurde. (Foto: Stephan Rumpf)

Eine Revival-Fahrt mit 200 alten Autos von Kiel nach München erinnert an einen EM-Lauf zu den Olympischen Spielen 1972. Aber wie zeitgemäß sind derartige Fahrten noch? Selbst die Protagonisten haben Zweifel.

Von René Hofmann

Das mit dem Applaus war schon immer so eine Sache bei Walter Röhrl. Besonders wichtig war der ihm nicht in seiner Zeit als Rallye-Fahrer. Ums Gewinnen ging's ihm. Darum, allen zu zeigen, wer am besten Autofahren kann, das ja. Aber sich dafür feiern zu lassen, das war nicht sein Ding. Und so verzieht er auch an diesem Nachmittag vor der Motorworld im Münchner Norden das Gesicht, als der Moderator die herbeigeströmten Fans auffordert, den bekanntesten Teilnehmer der Olympia-Revival-Rallye "donnernd" zu begrüßen.

Knapp 200 alte Autos waren am Montag vergangener Woche in Kiel gestartet, zu einer Veranstaltung, die sich auf den Spuren einer Wettfahrt bewegt, die 1972 im Windschatten der Olympischen Sommerspiele in München stattgefunden hatte, der Olympia-Rallye - damals das größte Event dieser Art, das es in Deutschland gegeben hatte. Die Rallye führte von Kiel, wo die Segelwettbewerbe stattfanden, in die eigentliche Olympia-Stadt München - über 3371 Kilometer. Zu bewältigen waren diese in fünf Tagen, wobei - so war das damals - nur eine Nacht vorgesehen war, in der die rund 300 Fahrer wirklich Schlaf fanden.

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Die Olympia-Rallye wurde als EM-Lauf gewertet, damals die höchste Kategorie dieser Form des Motorsports. Entsprechend waren die Weltklassefahrer mit ihren Weltklassefahrzeugen am Start. Und entsprechend groß war das Staunen, als ihnen ein unbekannter 25-Jähriger aus Regensburg die Show stahl, der eigentlich mit keinem konkurrenzfähigen Sportgerät antrat, sondern bloß mit einem Auto, mit dem die Landjugend gerne in die Discos jagte: einem blau-gelben Ford Capri.

Umschwirrt: Der Ford Capri aus dem Jahr 1972 wurde für das Revival extra neu aufgebaut. Wie damals trägt er die Startnummer 23. (Foto: Stephan Rumpf)
Konzentration auch beim Autogrammeschreiben: Röhrl kritzelt seinen Namen nicht, sondern malt seine Unterschrift für jeden, der ansteht, extra schön. (Foto: Stephan Rumpf)

Walter Röhrl hätte die Olympia-Rallye fast gewonnen, doch als er München beinahe schon vor Augen hatte, ging der Motor hoch. Die vielen Bestzeiten brachten ihm aber einen Profi-Vertrag ein. Es war der Start in eine Karriere, die zu zwei WM-Titeln (1980 und '82) führte.

"Das war schon herausfordernd, sechs Tage in der fahrenden Sauna, aber nicht schlecht, ein tolles Erlebnis", sagt der inzwischen 75-Jährige, als er jetzt im Ziel aus dem wiederaufbereiteten Capri von damals klettert: "Es gab genug Zeit, darüber nachzudenken, was da vor 50 Jahren passiert ist in meinem Leben. Bis dahin war ich ja ein ganz normaler Mensch."

Die Spiele 1972 haben viele Lebenswege geprägt, auch Röhrls: "Plötzlich habe ich gemerkt, dass es verhältnismäßig einfach ist, schneller zu fahren als der Rest der Welt", sagt Röhrl, "sonst wäre ich vielleicht Steinmetz geworden." Steinmetz, wie der Vater.

Wie weit die Spiele 1972 gewirkt haben, ist in diesem Jubiläumsjahr ein großes Thema. Es gibt Ausstellungen dazu, Vorträge und Bücher. Auch im Motorsport haben sie Spuren hinterlassen. Die drei markanten Farbstreifen - rot, blau und violett -, die die Autos der BMW-Motorsport GmbH (gegründet 1972) seit fünf Jahrzehnten auf den Rennstrecken vorführen, sind an das Olympische Streifendesign von Otl Aicher angelehnt, nur eben in angriffslustigen Farben und nicht in zurückhaltenden.

Außerdem gab es einen 19-Jährigen, der in seiner Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Hypobank so aufgefallen war, dass er für die Zeit der Spiele in eine Wechselstube auf dem Olympiagelände eingeteilt wurde, sich dort deshalb die ganze Zeit frei bewegen durfte, so die Ankunft der Olympia-Rallye unmittelbar miterlebte und damit den ersten prägenden Kontakt zum Rallye-Sport hatte. Der junge Mann hieß Christian Geistdörfer, Röhrls späterer Beifahrer.

Auch er begleitet den Revival-Tross durch die Republik, aber im Grunde ist der eine einzige Röhrl-Hommage. Wenig überraschend wird im Ziel dessen Capri auf einer Drehbühne in den Mittelpunkt gerückt und der einstige Siegerwagen, der Renault Alpine des Franzosen Jean-Pierre Nicolas, eher versteckt daneben platziert.

Begrüßung in Tracht: In so einem Renault Alpine gewann der Franzose Jean-Pierre Nicolas 1972. (Foto: Stephan Rumpf)
Jubel auf der Zielgeraden: Die letzten Meter dürfen alle Teilnehmer durch ein Spalier fahren. (Foto: Stephan Rumpf)

Um Zeiten geht es bei dem Revival auch, der vorgegebenen Durchschnittsgeschwindigkeit von 37,96 Kilometern pro Stunde gilt es möglichst nahe zu kommen, wobei auch noch Orientierungsaufgaben zu bewältigen sind. Mit der Bestzeitenjagd bei möglichst maximaler Gaspedalstellung von einst hat das Revival also wenig zu tun, wobei sich die grundsätzliche Frage schon stellt: Braucht es das wirklich, dass 200 alte Autos ohne Not 2252 Kilometer von Nord nach Süd bewegt werden?

Stau vor der Ziellinie: Anders als bei der Originalrallye geht es nicht um das maximale Tempo, sondern darum, der vorgegebenen Durchschnittsgeschwindigkeit möglichst nahe zu kommen. (Foto: Stephan Rumpf)
Da qualmt was: ein älteres Baujahr - mit entsprechend zurückhaltender Abgasreinigung. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Organisatoren mühen sich früh, der Kritik entgegenzuwirken: Ein Aufforstungsprojekt im Harz soll dem Projekt Klimaneutralität bescheren. Aber selbst Röhrl bekennt im Ziel: "Ich habe Bauchweh gehabt vor der Rallye, denn die Situation mit dem Auto ist in Deutschland ja gerade nicht so. Ich habe Angst gehabt, das wird vielleicht eine Fahrt, bei der wir viel Ärger haben." Der aber bleibt aus. "Vom nördlichsten Punkt bis hierher habe ich nur Leute gesehen, die uns zugewunken haben", so Röhrl, "also ich bin jetzt wieder viel optimistischer als vorher."

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