Corona-Krise:München zwangsrekrutiert Lehrer als Wahlhelfer

Bayerns Städte haben genügend Helfer für die Europawahl

Immer mehr Bürger nutzen die Möglichkeit der Briefwahl. Auch darum brauchen die Kommunen in diesem Jahr mehr Wahlhelfer.

(Foto: Nicolas Armer/dpa)
  • Vor den Kommunalwahlen sagten in München wegen der Coronakrise viele ehrenamtliche Helfer ab.
  • In einem Schreiben an die städtischen Schulen wird mitgeteilt, dass die Wahl "akut gefährdet" sei und Lehrer beim Auszählen helfen müssen.
  • Ein KVR-Sprecher betont, die Nachrekrutierung diene nur dazu, einen Puffer zu haben, falls es weitere Absagen gebe.

Von Ingrid Fuchs

München soll wählen, Coronavirus hin oder her. Allerdings scheinen der Stadt die Wahlhelfer abhanden zu kommen. 14 000 sollen es eigentlich sein, doch in den vergangenen Tagen gab es offenbar viele Absagen von Ehrenamtlichen - dahinter kann die Sorge vor einer Ansteckung genauso wie vorsorgliche Quarantäne oder eine Erkältung stecken. Nun versucht die Stadt neue Wahlhelfer zu bekommen - per Zwangsrekrutierung.

In einem Schreiben an die städtischen Schulen wird mitgeteilt, dass viele Helfer ausfallen würden und deshalb die Kommunalwahl "akut gefährdet" sei. Die Anordnung sei "im öffentlichen Interesse der Landeshauptstadt München zwingend erforderlich". Unklar ist, wie viele der städtischen Lehrer das Schreiben überhaupt gelesen haben, da es offenbar sehr kurzfristig verschickt wurde. Datiert ist es auf diesen Samstag.

Steht die Kommunalwahl auf der Kippe? Das verneint KVR-Sprecher Johannes Mayer am Samstagabend ausdrücklich: "Von akuter Gefährdung kann absolut keine Rede sein." Die Zahl der Wahlhelfer sei immer noch groß genug, um die Auszählung der Kommunalwahl zu stemmen, es seien sogar mehr Menschen, als gesetzlich gefordert. Die Nachrekrutierung sei erfolgt, um auch bei weiteren Absagen genügend Puffer zu haben.

Gedeckt sei diese Maßnahme durch das Bayerische Beamtengesetz (Art. 81/1). Demnach "können Beamtinnen und Beamte von ihrem Dienstherrn zur Übernahme einer Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst verpflichtet werden." Aufgerufen sind nun alle Lehrer, ausgenommen der Schulleitung und all jener, die in den vergangenen 14 Tagen in einem Coronavirus-Risikogebiet waren. Der Allgemeinverfügung zufolge sollen sie am Sonntag um 15 Uhr in Halle A2 der Messe Riem sein.

5000 Menschen in sechs Messehallen sollen auszählen

Dort, in den sechs großen Messehallen, sollen 5000 Menschen die Briefwahlbögen auszählen. 5000 Menschen in sechs Hallen - das schreckt nicht nur ehrenamtliche Wahlhelfer ab, sondern führt auch zu Kritik von KVR-Mitarbeitern, die allerdings nicht namentlich genannt werden wollen. Die Stadt München sage derzeit Veranstaltungen mit weniger Menschen ab, sagt ein Mitarbeiter. Bei der Auszählung stünden die Wahlhelfer bis zu zehn Stunden lang beisammen, zum Teil recht nah, weil man sich immer wieder besprechen müsse. "Wieso streckt man die Auszählung nicht einfach auf mehrere Tage?", fragt ein Mitarbeiter. "So dass sich weniger Menschen an einem Ort versammeln müssten?" Es sei sowieso immer schwierig, genügend Helfer für die recht komplizierten Kommunalwahlen zu finden, diesmal hätten alle auch noch ein mulmiges Gefühl und teils auch Sorge, sich anzustecken.

KVR-Chef Thomas Böhle hält die Ansteckungsgefahr in den Wahllokalen nicht für größer als an anderen Orten, an denen sich Bürgerinnen und Bürger derzeit noch aufhalten. Supermärkte oder U-Bahnen, zählt Böhle da beispielsweise auf. Das stimmt wohl für die Menschen, die nur kurz in ein Wahllokal gehen, um ihre Stimmen abzugeben - mit dem eigenen Stift, wenn man auf Nummer sicher gehen will. Für die Wahlhelfer gilt das aber nicht unbedingt.

Im Falle der Messehalle Riem hat das KVR schon versucht, die Situation vor Ort sicherer zu gestalten. Rein rechnerisch dürften sich in jeder der sechs großen Hallen etwa 830 Menschen aufhalten. In jeder Halle habe man "Auszählinseln" geschaffen, wie KVR-Sprecher Mayer erklärt. Dort sollen jeweils maximal zwölf Wahlhelfer arbeiten, außerdem sei der Abstand zwischen den Auszählinseln sehr groß, betont er. Die KVR-Mitarbeiter beruhigt das nicht, sie hoffen immer noch darauf, dass die Stadt das Prozedere womöglich ändert.

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