Im Frühsommer haben die Stadtwerke München (SWM) ihre letzte Kohle verheizt und damit noch einmal Wärme und Strom erzeugt. „Bei mir herrscht erst mal Freude, dass die Kohleverbrennung im Heizkraftwerk Nord jetzt Geschichte ist“, sagte der Stadtrat Tobias Ruff am Dienstag im großen Sitzungssaal des Rathauses. Er hatte mit seiner Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) einst den Bürgerentscheid „Raus aus der Steinkohle“ initiiert; vor fast genau sieben Jahren stimmten die Münchnerinnen und Münchner dem Begehren zu. Nachdem der Ausstieg zweimal verschoben worden war wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine und der daraus resultierenden Energiekrise, ist er nun also geschafft. Jetzt macht Ruff Druck beim Einstieg in erneuerbare Energien: „Wir sitzen in München auf einem gigantischen Wärmereservoir.“
Raus aus der Steinkohle, rein in die Geothermie – so flott geht’s natürlich nicht mit der Energiewende, es braucht schon noch eine Übergangsphase. Die leitete der Wirtschaftsausschuss des Münchner Stadtrats am Dienstag ein, als er dem zeitlich begrenzten und schrittweise zu reduzierenden Betrieb mit Erdgas im Block 2 des Heizkraftwerks Nord zustimmte – allerdings mit einigen Änderungen und Ergänzungen, die auf den ÖDP-Mann Ruff zurückgingen. Dem geht der Umstieg der SWM auf Energieerzeugung durch Erdwärme und die Abschaltung des Blocks 2 nicht schnell genug.
Die SWM bohren zwar bereits nach Geothermie-Quellen, aus denen künftig die Energieversorgung der Münchnerinnen und Münchner sprudeln soll. Aber die Stadtwerke wollen den Block 2 im HKW Nord trotzdem bis zum Ende seiner technischen Lebensdauer mit Gas befeuern, bis 2035 etwa. Ihr wichtigstes Argument derzeit: Das HKW Nord sei systemrelevant für das bundesweite Stromnetz und könne erst dann abgeschaltet werden, wenn die Bundesnetzagentur ihr Okay dazu gebe. Die habe jedoch seit September bereits neunmal das HKW angezapft, um das Stromnetz zu stabilisieren, erklärte der bei den Stadtwerken für Strom- und Wärmeerzeugung zuständige Christoph Bieniek. Er ist auch überzeugt: „Wir werden den Gasblock noch bis 2035 für die Fernwärmeversorgung brauchen.“
Bevor der Block 2 vom Netz genommen werde, müsse in jedem Fall geprüft werden, ob er noch systemrelevant ist, und dazu gehöre nicht nur, dass die Stromversorgung des Bundes gewährleistet sei, sondern auch die Wärmeversorgung der Stadt München – so die mehrheitliche Meinung im Ausschuss. Die floss schließlich auch in die endgültige Formulierung von Ruffs Beschleunigungsantrag ein. „Die CSU steht voll hinter der Geothermie“, erklärte deren Fraktionschef Manuel Pretzl: „Aber bis dahin wollen wir eine sichere Energieversorgung.“ Auch SPD-Sprecherin Simone Burger sagte: „Wir tun ja alles, um den Geothermie-Ausbau zu beschleunigen, aber die Versorgungssicherheit mit Wärme muss gewährleistet sein.“
Für sein Ziel, „möglichst schnell aus der Systemrelevanz rauszukommen“, hatte Ruff in seinem Änderungsantrag auch „Partner außerhalb Münchens“ ins Gespräch gebracht: umliegende Gemeinden, die ihre bestehenden Geothermie-Kraftwerke ans Münchner Netz anschließen sollten. „Die Anlagen im Münchner Süden sind nicht Teil des Wärmeplans, das ist uns aber versprochen worden“, so Ruff. In diesem Punkt pflichtete ihm Manuel Pretzl bei. Die Einbeziehung der Umland-Gemeinden „scheitert am Kooperationswillen der SWM“, hat er festgestellt.
Für den Stadtrat stelle sich dadurch eine herausfordernde Frage, „die wir aber nicht heute diskutieren können“, so Pretzl: „Entweder wir warten noch zehn Jahre, bis die Stadtwerke so weit sind mit ihren Geothermie-Kraftwerken. Oder wir machen die Umstellung schneller mithilfe der Umland-Gemeinden. Aber dann verlieren unsere Stadtwerke das Geschäft.“
Mona Fuchs, die Fraktionschefin von Grünen/Rosa Liste, ahnt ebenfalls, dass sich der Stadtrat demnächst mit einer „problematischen Abwägung auseinandersetzen“ muss: schnellere Klimafreundlichkeit oder sichere Wärmeversorgung.