Die von der Bundesregierung als sogenannter Wachstumsbooster geplanten Steuererleichterungen könnten für die Münchner Finanzen zum Schrumpfbeschleuniger werden. Das befürchtet die grün-rote Rathausregierung. Kämmerer Christoph Frey (SPD) rechnet mit Verlusten in Höhe von 660 Millionen Euro im Zeitraum von 2025 bis 2029. Diese Summe könnte der Stadt durch die Steuerentlastungen in den kommenden Jahren entgehen.
Die Folgen könnten die Bürgerinnen und Bürger ganz direkt zu spüren bekommen. Denn solche Summen ließen sich nicht einfach ohne spürbare Einschnitte aus dem städtischen Haushalt „heraussparen“, sagt Bürgermeister Dominik Krause (Grüne), der in diesen Wochen Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) vertritt. Letztlich könnte der Wachstumsbooster dazu führen, dass die Stadt bei freiwilligen Leistungen wie niedrigen Kita-Gebühren, täglich geöffneten Stadtbibliotheken oder kostenlosem Mittagessen für Seniorinnen und Senioren kürzen oder streichen müsse, warnt Krause. „In seiner aktuellen Ausgestaltung birgt der Wachstumsbooster hohen sozialen Sprengstoff.“
Die von der Bundesregierung geplanten Steuererleichterungen sollen vorwiegend Investitionen für Firmen attraktiver machen. Dies hätte Auswirkungen auf das Gewerbesteueraufkommen sowie den städtischen Anteil an der Einkommensteuer – und somit unmittelbar auf den städtischen Haushalt. Am größten wäre der Ausfall nach den Berechnungen der Stadtkämmerei im Jahr 2028. Da stünden voraussichtlich etwa 240 Millionen weniger zur Verfügung, heißt es in einer Mitteilung.
Doch was ist mit dem Sondervermögen der Bundesregierung in Höhe von 500 Milliarden Euro für Infrastruktur und Klimaneutralität? Schließlich sollen davon auch die Kommunen profitieren. Aus dem Paket sollen 100 Milliarden Euro für Investitionen in die Infrastruktur an die Bundesländer fließen. Städte und Gemeinden sollen einen Anteil weitergereicht bekommen. Welchen Betrag die Stadt München erhalten wird, könne bislang nur geschätzt werden, heißt es von der Kämmerei. Sie geht aber von einem jährlichen Betrag in Höhe von 80 bis 100 Millionen Euro aus. Die Mindereinnahmen wegen der mit dem Wachstumsbooster verbundenen Steuersenkungen würden diesen Betrag deutlich übersteigen. Unterm Strich blieben der Stadt weniger Mittel für Investitionen, warnt der Kämmerer.
Es sei „nicht akzeptabel, dass die Bundesregierung diese Maßnahmen zu einem erheblichen Teil auf Kosten der Kommunen durchführt“, schimpft Bürgermeister Krause – während sie gleichzeitig Wahlgeschenke in Milliardenhöhe verteile, etwa die Reduzierung der Mehrwertsteuer für die Gastronomie oder die Erhöhung der Pendlerpauschale. Die Wirtschaft müsse auf Wachstumskurs gebracht werden. „Dies wird aber nur funktionieren, indem die Kommunen gestärkt werden und nicht geschwächt.“ Die meisten Investitionen in Deutschland würden von Städten und Gemeinden gestemmt, so Krause. Insofern würde er ein kommunales Investitionsprogramm begrüßen, wie es der frühere Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) kürzlich in einem SZ-Interview vorgeschlagen hat.
Ende dieses Jahres dürfte München Schulden in Höhe von 7,5 Milliarden Euro angehäuft haben
Die Finanzlage der Kommunen in Deutschland hat sich in den vergangenen zwei Jahren massiv verschlechtert. 2024 haben die Städte und Gemeinden ein Rekorddefizit von 24,3 Milliarden Euro eingefahren. In München hat es Kämmerer Frey nur dank eines Sparpakets für die einzelnen Referate in Höhe von Hunderten Millionen Euro geschafft, einen genehmigungsfähigen Haushaltsplan für 2025 vorzulegen. Durch die Kredite für alle geplanten Investitionen dürfte die Stadt Ende dieses Jahres Schulden in Höhe von fast 7,5 Milliarden Euro angehäuft haben.
Auch SPD-Fraktionschef Christian Köning kritisierte den Kabinettsbeschluss zum sogenannten Wachstumsbooster: „Man kann nicht ankündigen, dass endlich Schluss ist mit Investitionsstau und dann Steuersenkungen für Unternehmen zulasten der Kommunen als erste Maßnahme umsetzen wollen.“ Mindestens eine Kompensation der Steuerausfälle bei den Kommunen müsse es geben, fordert Köning. Denn Gemeinden und Städte trügen ein Viertel der gesamtstaatlichen Ausgaben, hätten aber nur ein Siebtel der Steuereinnahmen.
Ganz anders sieht das CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl. Der Kämmerer müsse Pessimist sein und zum Sparen animieren, er selbst sehe nach der aktuellen Konjunkturprognose des ifo-Instituts allerdings Grund zum Optimismus. Gerade hat das Wirtschaftsinstitut seine Prognose nach oben korrigiert, demnach soll die deutsche Wirtschaft 2026 um 1,5 Prozent wachsen. Mit dem Wirtschaftswachstum würden dann langfristig auch die Gewerbesteuereinnahmen wieder sprudeln, prophezeit Pretzl. So würden sich Verluste und zusätzliche Einnahmen die Waage halten. „Ich glaube, das wird sich ausgleichen.“