Süddeutsche Zeitung

Genossenschaftsprojekt in Riem:Wohnen in Waben

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Der Rohbau sieht aus wie ein großer, grauer Bienenstock: In der Messestadt Riem entsteht ein sehr besonderes Genossenschaftsprojekt - nicht nur die schrägen Wände sind hier außergewöhnlich.

Von Ilona Gerdom

Eine Säge kreischt, Hammerschläge sind zu hören: Typische Baustellengeräusche dringen hinter einem Bauzaun hervor. Ungewöhnlich ist, was man dahinter sieht: 17 aufeinander gestapelte Sechsecke stehen da an der Den-Haag-Straße in der Messestadt Riem. Der Rohbau sieht aus wie ein sehr großer, sehr grauer Bienenstock. Hier, im "Wabenhaus", will die Genossenschaft Wogeno bald "experimentelles Wohnen" ermöglichen.

Für "einmalig auf der Welt" hält Architekt Peter Haimerl das Projekt. Er hat das Gebäude entworfen. Das Neue an der Idee sei, dass nicht nur die Fassade, sondern auch die Wohnräume hexagonal angelegt sind. Man lebt also in einem Sechseck. Mit allem, was dazu gehört. Das heißt: Es gibt keine Wände, nur "schräge Böden".

Was auf den ersten Blick einschränkend wirkt, sieht Ulrich Pape, der sich als Uli vorstellt, als Chance. Er gehört zum Architekturbüro "Peter Haimerl". Die Begeisterung darüber, dass er die Waben nicht mehr nur auf seinen Plänen und Zeichnungen vor sich hat, sondern gerade in einer steht, merkt man ihm an. Mit breitem Grinsen stellt er fest: "Wohnen funktioniert auch in der Ecke!" Dabei klettert er eine der Schrägen hoch. Hier könne später einmal eine "Sitzlandschaft" entstehen. Generell könne man an die Schrägen viel "docken" - immerhin bekommt der Raum durch die Form eine Breite von sechs Metern. Eine Grundausstattung werde es auch geben, erklärt Bert Kühnöhl, Mitarbeiter der Wogeno. Weitere "Sonderelemente" könne man später über einen Katalog bestellen. Denn: "Bei Ikea finden Sie nix, um so ein schräges Teil zu möblieren."

Seit etwa einem Jahr wird gebaut. Was man von außen sieht, unterscheidet sich bereits von den umstehenden Häusern. Damit ist ein Ziel erreicht: "Wir wollten an der Stelle etwas bauen, das sich abhebt", so Kühnöhl. Darum sei die Genossenschaft an Haimerl herangetreten. Allerdings ist nicht nur die Form experimentell. Neben Zwei- bis Vier-Zimmer-Wohnungen soll eine "Groß-WG" entstehen. Dazu gehören Ein-Zimmer-Apartments mit Bad. Zwei Küchen sowie Wohnzimmer sollen Bewohnerinnen und Bewohner teilen. Gegen "Vereinsamung" soll das helfen. Die Intention passt zu Haimerls Grundidee: Statt "nebeneinander in Schachteln zu wohnen", soll durch "Clusterwohnen" Gemeinschaft entstehen.

Die "Himmelsleiter" verbindet die Etagen. Sie führt nicht im Kreis, sondern gerade nach oben - "wie ein Hügel in einer italienischen Kleinstadt", sagt Haimerl. Die einzelnen Zimmer sind ebenfalls durch Treppen erschlossen. Daraus ergibt sich ein Problem: Keine der Wohneinheiten ist barrierefrei. Deshalb wurden 15 weitere im "Gartenhaus" konzipiert. Das zweite Gebäude ist über eine rollstuhlgerechte Brücke mit der Gemeinschaftswabe verbunden. Im anderen Haus habe man auch nicht "ganz konventionell" geplant, erklärt Pape. Auch wenn es "unsexy klingt", soll sich durch die Wohnungen eine "Versorgerwand" ziehen. In diesem Block sollen Bad, Küche und "alles, was Kabel hat", unterkommen.

Die insgesamt 30 Wohnungen sind schon längst an Genossenschaftsmitglieder vergeben. Haimerl fühlt sich dadurch bestätigt: "Es gibt ein Bedürfnis nach anderen Wohnformen. Viele Menschen wünschen sich das sogar." Wie es sich dann tatsächlich im Wabenbau lebt, stellt sich Ende 2022 heraus. Dann soll der Bienenstock voraussichtlich bezugsfertig sein.

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