Premiere:Komm, süßer Schlaf

Probleme Probleme Volkstheater

"Schatzi, dein Haar ist einfach kaputt", sagt Friseur René (Henriette Nagel, hinten) zu Beatrix (Jakob Immervoll) - obwohl sie jede Woche kommt.

(Foto: Arno Declair)

Abdullah Karaca adaptiert "Probleme Probleme" am Volkstheater

Von Christiane Lutz

Schlafen, um der Welt zu entkommen. Das ist der größte Traum von Beatrix. Schlafen, um sich nicht jeden Tag Strumpfhosen anziehen, sich nicht mit menschlichen Beziehungen herumschlagen zu müssen, die am Ende doch unmöglich sind, wie die zum verheirateten Erich. Einen Job will Beatrix nicht - welches Unternehmen würde akzeptieren, dass sie erst am Nachmittag aufsteht? Beatrix weiß, dass man anderes von einer 20-Jährigen erwartet. Sie frönt ihrer Leidenschaft also weitgehend heimlich.

Ingeborg Bachmanns Geschichte "Probleme Probleme" erschien 1972 im Erzählband "Simultan". Das Gefühl der überwältigenden Lebensmüdigkeit gepaart mit dem Eindruck der Sinnlosigkeit allen Strebens existiert also nicht erst in der leistungsorientierten Gegenwart oder seit Corona. Obwohl viele den gezwungenen Rückzug in den vergangenen Monaten bestimmt zu schätzen gelernt haben. In ihrer Verweigerung erinnert Beatrix ein wenig an die namenlose Heldin des 2018 erschienenen Romans "Mein Jahr der Ruhe und Entspannung" von Ottesa Moshfegh. Diese allerdings zieht ihr Schlaf-Experiment durch und sediert sich über Monate, um mal richtig runterzukommen. Der Schlaf als Überlebensweg auf dieser anstrengenden Welt, als eigentliche Bestimmung des Lebens.

So ist es dann auch eine Traumlandschaft, die Regisseur Abdullah Karaca und Bühnenbildner Vincent Mesnaritsch in der Inszenierung von "Probleme Probleme" geschaffen haben. Einen mit milchfarbenen Folien behangenen Raum, auf dessen Boden Plasikbahnen herumliegen. Gut, es könnte sich auch um das Innere einer gigantischen Trockenhaube handeln, in der sich die Geschichte abspielt. Was deshalb passt, weil Beatrix' einzige Freude der Besuch im Friseursalon "René" ist.

Das Stück ist Karacas Beitrag zum Ende des Theatersommer des Volkstheaters, für den fünf neue Produktionen coronatauglich inszeniert worden sind. Sicher hat er sich zum einen für diesen Text entschieden, weil er, siehe oben, in seinem beschriebenen Gefühl ein Millenial-Phänomen anspricht, obgleich schon fast 50 Jahre alt. Zum anderen ist es einfach ein sehr guter Text von Ingeborg Bachmann. Ihn auf der Bühne zu hören, ein Gewinn.

Einen literarischen Text, der in der dritten Person geschrieben ist, szenisch umzusetzen, ist allerdings immer eine Herausforderung. Problem: Die Spieler sollen auch zum Spielen kommen, nicht nur zum schönen Hörspielen. Letzteres beherrschen die drei, Henriette Nagel, Neuzugang Max Poerting und Jakob Immervoll, auf jeden Fall, das Spiel aber bleibt vor allem am Anfang der Inszenierung etwas auf der Strecke.

Karaca hat zwar viele kleine Ideen - den universellen Einsatz der Plastikfolie, eine überdrehte Choreografie im Friseursalon - aber keine große. Die Inszenierung bleibt vor allem in der ersten Hälfte beim schönen Rezitieren. Der Regisseur hätte sich ruhig mehr trauen, beherzter zugreifen dürfen. Wie das geht, zeigt er in der albtraumhaften Szene, die Beatrix bei "René" erlebt: ein Krimi-Schattenspiel, bei dem ihr eine riesige Pinzette und ein überdimensionaler Kamm nach dem Leben trachten. Oder als sie beim Blick in den Spiegel einen Moment der Selbstliebe empfindet. Dann kommt die Inszenierung weg von der Wiedergabe, tief hinein in Beatrix' Kopf.

Denn wenn schon das Mikroskop auf das Innerste von Beatrix gerichtet wird, will man das auch vergrößert sehen. Ihre Weltscheue, ihre Manipulationsversuche, ihre wortreiche Einsamkeit. So schräg, so verzerrt, so abgründig das dann auch aussehen mag.

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