125 Jahre Münchner Volkshochschule:Buddhismus, Beethoven und Badekultur

125 Jahre Münchner Volkshochschule: Schlange stehen statt online buchen: In den Achtzigerjahren mussten sich Kursteilnehmer der Volkshochschule vor Semesterbeginn in Geduld üben.

Schlange stehen statt online buchen: In den Achtzigerjahren mussten sich Kursteilnehmer der Volkshochschule vor Semesterbeginn in Geduld üben.

(Foto: Münchner Volkshochschule/VHS)

Sie ist nicht nur eine der ältesten Bildungseinrichtungen ihrer Art in Deutschland, sondern auch die größte: Seit nunmehr 125 Jahren lernen die Münchner in ihrer Volkshochschule fürs Leben.

Von Thomas Anlauf

Den alten Spruch, dass wir nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen, haben wohl die meisten Pennäler spätestens dann infrage gestellt, als sie in Biologie den Citratzyklus auswendig lernen sollten. Sicherlich, das hat irgendwas mit Leben zu tun - aber mit der eigenen Zukunft?

Wer nach der Schule etwas lernen will, das ihn im Leben irgendwie weiterbringen könnte, für den gibt es schließlich die Volkshochschule. Das ist eine Institution, die gefühlt schon immer da war. Und ganz falsch liegt man damit nicht: Vor 125 Jahren, am 21. Dezember 1896, wurde in München der "Volks-Hochschul-Verein" als Vorläufer der Münchner Volkshochschule ins Leben gerufen.

Diese frühe Volkshochschule ging auf Ideen des Nationalökonomen und Sozialreformers Ludwig Joseph "Lujo" Brentano zurück, einen Neffen der Schriftsteller Clemens Brentano und Bettina von Arnim. Damals waren die Veranstaltungen noch sehr wissenschaftlich geprägt, schließlich waren die Dozenten im wesentlichen Professoren der Münchner Universitäten, die abends Vorlesungen für ein breiteres Publikum hielten. Frühe Themen waren Ökonomie, aber auch Aufklärungsvorträge über Hygiene und die Notwendigkeit von Impfungen.

Bei den Themen an der Volkshochschule ging und geht man mit der Zeit

Man sieht, manche Themen der Volkshochschule sind heute so aktuell wie damals. Aber schon Anfang des 20. Jahrhunderts erweiterte die Volkshochschule ihr Programmangebot: Es gab Vorträge über Buddhismus und Beethoven, Biologie und Badekultur. Natürlich ging man bei den Themen mit der Zeit. Vor einhundert Jahren referierte etwa Professor Erich Becher an vier Abenden über die "materialistische Weltanschauung", sein Kollege Professor Jakob Strieder über "deutschen Frühkapitalismus". Im Programmheft der Lehrkurse 1920/21 findet sich ein wichtiger Hinweis für die Kursteilnehmer: "Wenn infolge der Kohlennot Heizung des Vortragsraumes unmöglich werden sollte, werden die Hörer gebeten, ihre Mäntel beim Vortrage anzubehalten."

125 Jahre Münchner Volkshochschule: Im Jahr 1917 hieß die MVHS noch Volks-Hochschul-Verein München.

Im Jahr 1917 hieß die MVHS noch Volks-Hochschul-Verein München.

(Foto: Münchner Volkshochschule/VHS)

In den Anfangsjahren fanden die Abendvorträge vor allem an der Technischen Universität oder der Ludwig-Maximilians-Universität statt, in den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts befand sich die Zentrale der Münchner Volkshochschule, wie sie seit 1923 heißt, im südlichen Turms des Isartors. Damit hatte die MVHS nach einem Beschluss des Münchner Stadtrats erstmals einen eigenen Standort.

Die große Bedeutung der Volkshochschule für die Stadt erkannte die Politik schon früh. Auch eine zweite Bildungseinrichtung förderte München schon früh, die von Studierenden organisierten "Fortbildungskurse für Arbeiter", fanden in städtischen Schulungsräumen statt. Dort konnten Arbeiter schreiben, lesen und rechnen lernen.

Nach dem Krieg setzten die Alliierten stark auf die Volkshochschulen für die demokratische Bildungsarbeit

Es gab natürlich in der langen Geschichte der größten Volkshochschule in Deutschland auch dunkle Kapitel. Die Historikerin Edith Raim forscht derzeit über die NS-Zeit und den Einfluss auf die Bildungseinrichtung. Die Verantwortlichen der Volkshochschule wollten einem Verbot oder der Schließung entgehen und bezeichneten sich als "nationale Bildungsstätte". Nach 1945 setzten die Alliierten mit der "Reeducation" stark auf die Volkshochschulen.

Schon im Frühling 1946 öffnete die Münchner Volkshochschule wieder ihre Pforten für die Bevölkerung. Das Angebot wurde vielfältiger und größer denn je, die Dozentinnen und Dozenten kamen und kommen aus allen möglichen Bereichen: Professor Joachim Kaiser hielt allein zwischen 1994 und 2007 mehr als zweihundert Vorlesungen. Mit insgesamt 170 000 Besuchern waren sie die erfolgreichsten Veranstaltungen der Volkshochschule.

Auch der Komponist Carl Orff schaute schon mal im Haus Buchenried, eine Dependance der MVHS am Starnberger See, vorbei. Und Alt-Oberbürgermeister Christian Ude lockt mit seinen regelmäßigen politischen Diskussionsabenden zahlreiche Zuhörer an. "Ich kenne in unserer Stadtgesellschaft keinen vergleichbaren Ort, an dem durch Bildung und Begegnung die Integration der Stadtgesellschaft im ganz weiten Sinne und damit auch der gesellschaftliche Zusammenhalt so ausgeprägt gefördert werden", sagte kürzlich Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD), die Aufsichtsratsvorsitzende der MVHS ist. Die Volkshochschule ist eben tatsächlich eine Schule fürs Leben.

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