München:Vision für das Herz Schwabings

Christian Vogel will die Münchner Freiheit zu einem urbanen Abschluss der Leopoldstraße umbauen - mit einem 60 Meter hohen Gebäude

Von Stefan Mühleisen, Schwabing

Die Münchner Freiheit hat einen internationalen Ruf als pulsierendes Herzstück Schwabings - der Platz ist Chiffre für die legendäre Geschichte dieses Stadtteils. Doch die konsistente Erzählung mag nicht recht zur derzeitigen Gestalt passen, die Münchner Freiheit ist ein städtebauliches Flickwerk. Im Süden ein poppiger Tram- und Busbahnhof, in der Mitte das Forum mit Beton-Flair sowie ein großer Spielplatz; den nördlichen Abschluss bildet ein öder Parkplatz. Nur die Ostseite bietet Raum zum Flanieren, ansonsten dröhnt der Verkehr vorbei an "diesem Verhau", wie Christian Vogel die Struktur von Schwabings zentralem Platz bezeichnet.

München: Neuer Akzent für die Münchner Freiheit: Der Entwurf sieht ein schlankes, keilförmiges Hochhaus mit einem Seitengebäude an der Nordseite des Platzes vor (rechte Bildseite), wo sich heute ein Parkplatz befindet. Simulationen: Christian Vogel

Neuer Akzent für die Münchner Freiheit: Der Entwurf sieht ein schlankes, keilförmiges Hochhaus mit einem Seitengebäude an der Nordseite des Platzes vor (rechte Bildseite), wo sich heute ein Parkplatz befindet. Simulationen: Christian Vogel

Der 69-jährige Stadtplaner und Architekt ist Vorsitzender des Vereins "Urbanes Wohnen", ein Zusammenschluss von Aktivisten, die sich für eine Verbesserung des Wohnumfelds in München einsetzen. Als Architekt hat er einige Großprojekte betreut, etwa die Rahmenplanung für das Münchner Neubaugebiet Ackermannbogen. Nun hat Vogel für die Münchner Freiheit eine "städtebauliche Ideenskizze" vorgelegt, wie er es nennt. "Es könnte ein Leuchtturmprojekt für München werden", schreibt er dazu in einem Kommentar für den Bezirksausschuss (BA) Schwabing-Freimann. Der buchstäblich herausragende Kernpunkt dabei: ein schlankes, keilförmiges Hochhaus mit 15 Stockwerken und einem ähnlich zeltartigen, gleichsam schwebenden Dach, wie beim Tram- und Busbahnhof.

Verkehr in München, 2018

Provisorium als Dauerlösung: Schwabings zentraler Platz ist ein Flickwerk aus Forum, Bahnhof, Spielplatz, Parkplatz, an dem der Verkehr vorbeidröhnt. Die Lokalpolitik dringt schon sehr lange auf eine Umgestaltung.

(Foto: Stefanie Preuin)

Das zerstückelte Gebilde der Münchner Freiheit ist ein Erbe des U-Bahnbaus Anfang der 1970er-Jahre. Damals wurde mit dem Ausbau der Ungererstraße die Erlöserkirche vom Platz abgetrennt. Das Forum mit den Wasserkaskaden war als Entree zu einem großen Einkaufszentrum gedacht. Doch es erhob sich heftiger Bürgerprotest mit nachhaltiger Wirkung: Die Stadt beerdigte die Pläne, das Provisorium wurde zur Dauerlösung. Verwaltung und Stadtpolitik machen seither keine Anstalten, das Platzgefüge anzutasten - allen Rufen der Lokalpolitiker nach einer Umgestaltung zum Trotz.

München: Als ästhetische Grundidee werden die geschwungenen Formen des Busbahnhofs aufgenommen, um dem Ensemble einen einheitlichen Charakter zu geben. Das Forum und der Spielplatz sollen unangetastet bleiben. Simulation: Christian Vogel

Als ästhetische Grundidee werden die geschwungenen Formen des Busbahnhofs aufgenommen, um dem Ensemble einen einheitlichen Charakter zu geben. Das Forum und der Spielplatz sollen unangetastet bleiben. Simulation: Christian Vogel

Jetzt rufen sie erneut. "Mit dem Provisorium lebt es sich nicht schlecht. Aber der Platz ist, vor allem im Nordteil, kein angemessen urbaner Stadtraum", sagt BA-Vorsitzender Werner Lederer-Piloty (SPD). Auf sein Betreiben erging an Vogel und seinem Verein der Auftrag, eine Studie für ein kohärentes Erscheinungsbild der Münchner Freiheit zu erarbeiten.

Anders als eine ganze Reihe von Konzeptstudien in den vergangenen 20 Jahren schlägt Vogel keine Komplettüberplanung vor, keine Tabula rasa mit dem Verhau. Ausgestattet mit 3000 Euro aus dem BA-Budget liefert Vogel nun einen kleineren Wurf, der aber gern Großes wagen würde. Er konzentriert sich auf die gut 80 Meter lange und 40 Meter breite Parkplatzfläche im Nordteil - und platziert an der Ecke Leopold-/Ungererstraße ein gut 60 Meter hohes Wohngebäude mit auskragendem, schirmartigen Dach; der Gebäudekorpus soll eine schlanke, pfeilartige Form mit abgerundeten Ecken erhalten, inspiriert vom berühmten "Bügeleisengebäude" in New York, dem Flatiron Building. Ein ähnlich geschwungenes Dach sitzt auch auf dem nach Osten hin anschließenden, zweigeschossigen Wohnbauwerk, dessen Abschluss ein 200 Quadratmeter großer Bürgersaal bilden soll, erschlossen mit einer Freitreppe sowie mit einer 50 Quadratmeter großen Empore. Ferner zeigen Vogels Entwürfe eine L-förmige, schachtelartige Einfassung entlang der Leopoldstraße und im Erdgeschoss des Wohnhaus-Bürgersaal-Segments im Norden.

Die Elemente sind bewusst unkonkret gehalten; es könnte dies ein Arkadengang oder ein Ausstellungsbereich werden, sagt Vogel. "Es geht mir primär darum, für die Leopoldstraße einen urbanen Abschluss zu erreichen." Insgesamt, so erklärt der Architekt, wolle er in der Ästhetik die Architektur des Busbahnhofs mit seinen geschwungenen Formen aufnehmen und so der Münchner Freiheit einen eigenständigen Charakter geben. Der Parkplatz, ist sich Vogel sicher, könnte ohne Statikproblem hinsichtlich der darunterliegenden U-Bahn-Trasse in eine Tiefgarage verlegt werden.

Bei der Präsentation zeigten sich Vertreter des BA mehrheitlich sehr angetan. "Wir sollten das in die öffentliche Diskussion einspeisen, sonst sind wir in 20 Jahren immer noch nicht weiter", sagte Patric Wolf (CSU). Er spielte auch auf den teilweisen Rückbau der Ungererstraße vor der Erlöserkirche an, ein Projekt, auf das die Lokalpolitiker auch seit Langem vergeblich pochen. Ziel ist es, das Kirchenbauwerk wieder ans Platzgeschehen anzubinden. Vor zwei Jahren hatte das Planungsreferat dazu einen Beschluss für den Stadtrat erarbeitet, welcher aber derzeit überarbeitet wird, wie es von der Behörde heißt. "Wann eine Stadtratsbehandlung erfolgen kann, lässt sich derzeit nicht sagen", teilt ein Sprecher mit.

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