Ärger auf dem weltbekannten MarktViktualienmarkt-Händler klagen gegen die Stadt

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Alles im Reinen? Mit Eimer und Besen wacht Ida Schumacher über den Markt im Herzen Münchens. Die Komödiantin lebte von 1894 bis 1956, das Brunnendenkmal wurde 1977 errichtet.
Alles im Reinen? Mit Eimer und Besen wacht Ida Schumacher über den Markt im Herzen Münchens. Die Komödiantin lebte von 1894 bis 1956, das Brunnendenkmal wurde 1977 errichtet. (Foto: Florian Peljak)

Rigide Verpackungsvorgaben und neue Vorschriften, die in die Nachfolgeregelung eingreifen: Marktleute werfen der Stadt vor, sie erschwere „zunehmend ein erfolgreiches Wirtschaften“. Nun haben Juristen das Wort.

Von Catherine Hoffmann

Gelegentlich mal schlechte Laune zu haben, ist völlig normal. Das Stimmungstief, das die neue Satzung für den Viktualienmarkt unter etlichen Händlern ausgelöst hat, ist aber besorgniserregend. Einige Marktleute sind so verärgert über das Regelwerk, dass sie ein Normenkontrollverfahren gegen die Stadt eingeleitet haben.

Dafür haben sie die Münchner Rechtsanwältin Erika von Heimburg engagiert, die immer wieder Markthändler vor Gericht vertritt. Sie hat Mitte April eine Klage beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingereicht und wartet jetzt auf eine Stellungnahme der Verwaltung.

„Die Satzung für die Märkte München hat sich in den vergangenen Jahren immer weiter zuungunsten der Händler verschärft“, sagt Marco Stohr, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Viktualienmarkt (IGV). „Sie erschwert zunehmend ein erfolgreiches Wirtschaften.“

Marco Stohr vom Obsthof Bucher ist auch Vorsitzender der Interessengemeinschaft Viktualienmarkt.
Marco Stohr vom Obsthof Bucher ist auch Vorsitzender der Interessengemeinschaft Viktualienmarkt. (Foto: Robert Haas)

Nun haben sich Händler gefunden, die ihrem Frust Luft machen und sich gerichtlich wehren. Unter ihnen sind Gitti Schweiger, die mit ihrer Familie den „Saftladen“ betreibt, der frisch gepresste Obst- und Gemüsesäfte verkauft, und Christian Müller von der Kaffeerösterei Viktualienmarkt.

Beide wollen sich zu dem laufenden Verfahren nicht äußern. Müller schreibt aber: „Wichtig ist mir zu erwähnen, dass wir stellvertretend für alle betroffenen Händler und Händlerinnen klagen und von der Interessengemeinschaft Viktualienmarkt e.V. unterstützt werden.“

Beiden dürfte insbesondere eine Vorschrift in der neuen Satzung vom 3. Juli 2024 missfallen: „Speisen und Getränke dürfen nur in wiederverwendbaren Verpackungen und Behältnissen sowie nur Mehrwegbesteck ausgegeben werden.“

Aus der gesetzlichen Pflicht, den Kunden für Speisen und Getränke auch Mehrweggeschirr anzubieten, ist kurzerhand ein Verbot geworden, Einweggeschirr auszugeben. Diese Regelung gilt seit 1. Januar 2025 auf allen Märkten der Stadt. Die Händler wurden von der Regel überrumpelt, die der Müllvermeidung dienen soll.

Eine Sprecherin der Märkte München weist aber darauf hin, dass hier nur vollzogen wurde, was schon lange gilt: Auf Verkaufsflächen, die im Eigentum der Stadt stehen, dürfen Speisen und Getränke seit den 1990er-Jahren nur in „pfandpflichtigen, wiederverwendbaren Verpackungen und Behältnissen“ angeboten werden.

„Der gute Wille der Stadt ist erkennbar. Das läuft aber ins Leere, wenn nicht gleichzeitig eine Infrastruktur geschaffen wird, die bei der konkreten Umsetzung hilft“, sagt Rechtsanwältin Heimburg. Grundsätzlich seien die Händler mit einem Mehrwegsystem einverstanden.

„Natürlich müssen wir etwas tun. Es geht nicht, dass wir Becher einfach wegwerfen“, sagte Marktsprecher Stohr bereits Anfang Januar. „Aber es ist nicht in Ordnung, wenn das nur punktuell geregelt wird.“

Viele Fragen sind offen: Sollten sich die Händler auf einen Anbieter von Mehrweggeschirr einigen, mit dem alle zusammenarbeiten? Wie funktioniert die Rückgabe? Wer reinigt Geschirr und Besteck? Gibt es zentrale Abgabestellen? Vielleicht sogar eine gemeinsame Spülanlage?

Darüber hat sich in der Verwaltung offenbar niemand Gedanken gemacht. Dort heißt es nur: „Derzeit prüfen die Märkte München die Möglichkeiten einer Rückgabeinfrastruktur.“

Heimburg sieht weitere Probleme: Man dürfe nicht vergessen, dass viele Touristen den Viktualienmarkt besuchen, die nicht immer verstünden, wie und warum sie Mehrweggeschirr nutzen sollen. „Die behalten nur in Erinnerung, dass Essen und Getränke auf dem Markt sehr teuer sind“, sagt Heimburg.

Zudem ärgern sich die Händler über die Ungleichbehandlung: Wer in den rund um den Markt liegenden Cafés und Bars Getränke „to go“ kauft, bekommt sie im Wegwerfbecher, auf dem Markt selbst ist dies aber nicht erlaubt. Die Anwältin sieht darin eine Wettbewerbsverzerrung und -verlagerung.

Wenn die Cafés auf den Viktualienmarkt den Cappuccino nicht mehr im Einwegbecher verkaufen dürfen, dann kaufen ihn die Kunden eben woanders. Etwa in der Starbucks-Filiale im Rosental, wo es noch immer Pappbecher gibt, die nach Gebrauch im Müll landen.

Gerecht? Am Markt dürfen Getränke in Einwegbechern verkauft werden, auf dem Markt nicht.
Gerecht? Am Markt dürfen Getränke in Einwegbechern verkauft werden, auf dem Markt nicht. (Foto: Catherina Hess)

Für großen Unmut sorgen noch zwei weitere Paragrafen in der Markt-Satzung, die sich mit der Erteilung und Beendigung von Zuweisungen befassen, wie die Stadt die Genehmigungen für Händlerinnen und Händlern nennt. Wird etwa eine Einzelfirma in eine juristische Person oder Personengesellschaft umgewandelt, bedarf dies er schriftlichen Zustimmung der Märkte München.

Diese ist auch erforderlich, wenn Händler eine GmbH oder Personengesellschaft gegründet haben, und sich die Rechtsform ändert oder die Zusammensetzung des Vorstands, der Geschäftsführung oder der Gesellschafter. Damit nicht genug: In diesem Fall muss zudem der bisherige Standlbetreiber seine Geschäfte für weitere fünf Jahre ausüben, mindestens.

Das bedeutet praktisch: Will eine Händlerin, die für ihr Geschäft eine GmbH gegründet hat, eines ihrer Kinder zum Nachfolger machen und in die GmbH aufnehmen, muss die Stadt zustimmen. Zudem, sagt Marktsprecher Stohr, würden unbefristete Zuweisungen befristet, wenn es zu einem Geschäftsführer-Wechsel oder Veränderungen der Gesellschafterstruktur kommt: „Das verunsichert die Händler, denn damit ist natürlich die Sicherheit weg, dass ein Geschäft auch eine Zukunft hat.“

Die Zustimmungspflicht seitens der Stadt München sei „durch nichts gerechtfertigt“, sagt Juristin Heimburg: „Das ist ein massiver Eingriff in die unternehmerische Betätigungsfreiheit der Händler.“ Die städtische Verwaltung sieht dies anders. Dort wird argumentiert, dass die Stadt aufgrund der beschränkten Anzahl an Verkaufsflächen auf dem Markt verpflichtet sei, die Vergabe nach einem Auswahlverfahren durchzuführen. Ohne die umstrittene Regelung würde dies ausgehebelt werden.

„Die Händlerinnen und Händler könnten ihr Unternehmen an einen Dritten veräußern, ohne dass die Märkte München Einflussmöglichkeiten auf diesen Wechsel oder die künftige Geschäftsausrichtung hätten“, sagt die Sprecherin. Sie verweist zudem darauf, dass es sehr wohl möglich sei, die Nachfolge innerhalb einer Händlerfamilie zu regeln. Dafür gebe es „unter gewissen Voraussetzungen Ausnahmen von der Ausschreibungspflicht“. Es gebe zahlreiche Beispiele für eine gelungene Familiennachfolge auf den Märkten.

Die Märkte München haben den Daumen auf allen Entscheidungen der Standlbetreiber, egal ob diese bloß ihr Sortiment ändern wollen oder der Junior ins Geschäft einsteigen soll. Heimburg findet, das geht zu weit: „Die Händler sind selbständige Unternehmer, sie haben die Arbeit, sie tragen das Risiko, sie müssen auch selbst über ihr Unternehmen entscheiden können, das sie oftmals über Jahre und Jahrzehnte aufgebaut haben.“

Die Klage sieht sie als Versuch, mit den Märkten München ins Gespräch zu kommen und eine Einigung in den umstrittenen Fragen zu finden. Bislang habe das mit dem Reden nicht so gut funktioniert. Die Händler haben jedenfalls den Eindruck, dass ihre Interessen in der Satzung nicht ausreichend berücksichtigt worden sind. Wie es besser gehen könnte, wird nun in einer mündlichen Verhandlung vor dem Gericht geklärt.

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