Süddeutsche Zeitung

Viertel-Stunde:Virtueller Blick hinter die Fassaden

Die Stunde der virtuellen Spaziergänge ist gekommen. Auch wenn alles ein wenig unverbindlicher daherkommt - an die Aussicht, die Stadt von daheim zu erkunden, könnte man sich glatt gewöhnen.

Von Julia Weinzierler

Wie oft sind wir im eigenen Viertel flaniert, auf dem Weg zur Arbeit oder in den Feierabend, vorbei an den vertrauten Gebäuden, die doch so unbekannt sind. Hinter jeder Fassade lauern unzählige Geschichten, allesamt verborgen. Der anstehende Jane's Walk des bürgerschaftlichen Stadtentwicklungsvereins "Münchner Forum" hat sich dies zum Thema gemacht: Häuser sollen durch die Augen der Anwohner ihre Geschichte erzählen dürfen.

Eigentlich war in Vor-Corona-Zeit ein Spaziergang angestrebt, der fiel dann erst einmal aus. Eric Treske, der das Projekt als Anwohner begleitet, wollte es aber nicht in der Schublade verkümmern lassen und setzte auf eine virtuelle Tour. Vier Häuser um den Holzplatz hat Treske ausgewählt, dem Betrachter blickt Vielfalt entgegen: ein saniertes Bürogebäude, ein mit Graffiti beschmierter Wohnblock, ein Blick durch das Gatter in den Hinterhof, ein Schild mit Warnung vor einem freilaufenden Hund. Am Samstag, 13. Juni, sollen diese Häuser virtuell mit Leben gefüllt werden. Nachbarn dürfen auf Facebook zwischen 9.30 und 13.30 Uhr die Geschichten hinter den Fassaden teilen, Fragen stellen, Fotos aus dem Privatarchiv hochladen und "so in eine virtuelle Kommunikation eintreten", hofft Treske. Persönliche Erinnerungen bilden dabei den Mittelpunkt.

Ganz anders ein weiterer Rundgang des "Münchner Forums". Wir kehren dem Glockenbach den Rücken und finden uns im Sendlinger Feld wieder - erneut virtuell, versteht sich. Am Mittwoch, 24. Juni, lädt der Verleger Franz Schiermeier vom "Münchner Forum" für 18 Uhr zu einer Tour um die Großmarkthalle ein. In rund 30 Minuten vor dem heimischen Bildschirm erkunden wir so nicht nur die Umgebung, sondern lauschen auch der Geschichte, den Kontroversen und den Zukunftsszenarien rund um das teils denkmal- und ensemblegeschützte Areal. Im Anschluss folgt ein Gespräch mit Ernst Dill vom Bezirksausschuss Sendling, bevor sich in einer gemeinsamen Diskussion auch Anwohner einbringen können.

Auch wenn virtuell alles ein wenig unverbindlicher daherkommt - an die Aussicht, die Stadt von daheim zu erkunden, könnte man sich glatt gewöhnen. Zumindest, bis man wieder gemeinsam spazieren darf. Vorerst aber heißt es einfach nur sitzenbleiben und sich zur nächsten virtuellen Tour verleiten lassen.

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Quelle:
SZ vom 06.06.2020
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