Süddeutsche Zeitung

München:Viel bewegt

In zehn Jahren hat der Münchner Verein Jambo Bukoba über eine Million Euro für sportpädagogische Projekte in Tansania gesammelt: Die Kinder erwerben durch Spiele Selbstvertrauen und soziale Fähigkeiten

Von Stefan Mühleisen

Das Mädchen hat den Ball voll getroffen, er hebt ab, schießt hinauf in den blauen Himmel. Es dürfte heiß sein, sehr heiß; die Sonne brennt auf den trockenen Lehmboden, ein weiter Platz in der Provinz Kagera, Tansania, Ostafrika. Doch keine Schweißperle ist zu sehen auf der Stirn der 13-jährigen Neema Kailembo, kein nasser Fleck auf dem blütenweißen Hemd. Entschlossen ist ihr Blick, fest der Stand. Das rechte Bein verharrt im Schwung in der Luft. Dieses Foto zeigt ein kraftvolles, selbstbewusstes Mädchen - und hinter ihr ein halbes Dutzend Jungs, im Tor aufgereiht, anerkennende Blicke, wie das schwarze Mädchen, schwarz wie sie selbst und 99 Prozent der Menschen dieses Landes, das Spiel nach vorne haut.

Es ist ein Bild, das symbolisch für die Ziele und den Erfolg des Münchner Vereins Jambo Bukoba stehen könnte, eine Entwicklungshilfeorganisation, die heuer ihr zehnjähriges Bestehen feiert. Am Anfang stand die Idee, die Chancengleichheit und das Selbstvertrauen der Grundschüler in Tansania zu fördern - mit einem Sportprogramm an Schulen. "Wir haben bei null angefangen", sagt der Gründer und Vorsitzende Clemens Mulokozi.

Und heute? Nach Vereinsangaben wurden in Tansania bisher 1270 Lehrer in dem sportpädagogischen Konzept ausgebildet, gut 520 000 Schüler an 890 Schulen nahmen teil, 97 Prozent aller Schüler in der Provinz Kagera, wie Mulokozi sagt. Er blickt dabei auf ein Balkendiagramm, das die Spendeneinnahmen der vergangenen zehn Jahre zeigt. 2008: null Euro. 2017: 330 000 Euro, insgesamt 1,08 Millionen Euro "Es ist unglaublich", sagt Mulokozi.

Der 53-Jährige sagt dies öfter während des Gesprächs in dem schmucklosen Büro an der Sonnenstraße; denn er hätte sich vor zehn Jahren nicht träumen lassen, dass sein Konzept derart viele Früchte trägt. Die Jambo-Bukoba-Pille, um im Bild zu bleiben, hat es so richtig nach vorne gehauen. Einen Fußball hatte Clemens Mulokozi übrigens auch im Juni 2015 im Kanzleramt dabei, Angela Merkel sollte ihn signieren. Die Bundeskanzlerin übergab ihm bei der Gelegenheit den "Startsozial"-Preis für sein Jambo-Bukoba-Projekt, eine Auszeichnung des Bundes für soziales Engagement. Unglaublich auch das, so Mulokozi.

"Jambo Bukoba" bedeutet auf Suaheli "Hallo Bukoba", ein Gruß an die Heimatstadt von Mulokozis Vater im Norden Tansanias. Sieben Jahre lang lebte Clemens Mulokozi dort als Kind mit seiner deutschen Mutter; doch erst als Erwachsener, nach dem Tod des Vaters, stellt er sich der Armut in Tansania, die so sehr im Kontrast steht zu seinem Erfolg in der Sportmarketingbranche: geringe Lebenserwartung wegen Malaria und Aids; Mangel an Trinkwasser allerorten, vor allem an den Schulen, wo es meist nur Plumpsklos gibt. "Das wollte ich ändern, etwas zurückgeben", sagt Clemens Mulokozi. Das heißt für ihn: nicht einfach nur Spenden einsammeln und hoffen, dass es besser wird. Er hat eine klare Vorstellung, was er bewegen will. "Bildung verbessern, über Gesundheit aufklären, Gleichberechtigung fördern", erklärt Mulokozi die Eckpunkte seines sportpädagogischen Konzepts, eingebettet in 60 verschiedene Spiele, die Kindern soziale Fähigkeiten vermitteln und ihr Selbstvertrauen stärken sollen. Es geht um Teamwork, Selbstvertrauen und um Frauenförderung - denn Frauen sind qua kultureller Prägung in der tansanischen Kultur noch immer benachteiligt.

Bei Jambo Bukoba werden sie zu Akteuren: Wenn etwa bei einer speziellen Fußball-Variante nur Tore zählen, welche die Mädchen schießen. Beim "Partnerfußball" hält sich ein Spielerpaar die gesamte Spielzeit an der Hand - Torschütze darf nur der weibliche Part sein. "Es soll das Bewusstsein eingeübt werden, dass man nur Erfolg hat, wenn man sich gegenseitig unterstützt", erklärt Vorstandsmitglied Sophie Glaesner. Bei anderen Spielen steht der Aufklärungseffekt im Vordergrund. Etwa, wenn die Schüler bei einem Staffellauf Stöckchen für Stöckchen die Kürzel "HIV" und "Aids" zusammenlegen. Nach dem Wettkampf wird über die gefährliche Krankheit gesprochen, in lockerer, vertrauensvoller Atmosphäre.

Von Anfang an hatte Jambo Bukoba die Unterstützung der tansanischen Regionalregierung sowie vom Deutschen Olympischen Sportbund und vom Auswärtigen Amt. Gemäß eines Evaluationsberichts von Ashoka, einer weltweiten Organisation zur Förderung sozialer Unternehmen, seien die Noten der Schüler durch die Arbeit von Jambo Bukoba signifikant besser geworden, sie wüssten auch besser über HIV/Aids Bescheid.

Darüber hinaus hat der Verein in zehn Jahren 50 Bauprojekte auf die Beine gestellt, Neues errichtet oder Altes renoviert und erweitert, etwa um hygienische Toilettenanlagen und dringend nötige Wassertanks. Das neueste Projekt zieht der Verein gerade mit dem Lions Club Bayern-Süd durch: Die Wassertanks werden an acht Schulen mit Filteranlagen ausgerüstet, sodass 5000 Kinder Trinkwasser zur Verfügung haben werden.

Unterdessen stehen die Zeichen bei Jambo Bukoba weiter auf Wachstum. Mulokozis Traum ist ein "Jambo-Bukoba-Campus" als Ausbildungszentrum für Lehrer, damit das sportpädagogische Konzept bald auch in anderen Regionen Tansanias vermittelt werden kann. Denn die inspirierende Kraft des Sports verfängt bei allen Beteiligten, auch den Pädagogen. Vorstandsmitglied Glaesner erzählt die Geschichte einer fußballbegeisterten Lehrerin, die sich, angespornt vom Wettkampfgeist, beim Weltfußballverband Fifa um eine Schiedsrichterausbildung bemühte - und nun Spiele in der tansanischen Profiliga pfeift. "Unglaublich, nicht wahr?", sagt Clemens Mulokozi.

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SZ vom 25.08.2018
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