Studie zum Verkehr:Nur ein Bruchteil aller Strecken wird geradelt

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  • Eine Studie hat untersucht, wie die Münchner sich fortbewegen. Das Fahrrad spielt dabei offenbar keine so große Rolle, wie oft angenommen wird.
  • Während der öffentliche Nahverkehr ein gutes Drittel der zurückgelegten Strecken ausmacht, bringt es der Radverkehr nur auf fünf Prozent.
  • Das Fazit: "Wenn Verkehr umweltgerechter werden soll, wird es über den Radverkehr hinaus darauf ankommen, vor allem den ÖPNV weiter zu verbessern sowie den Autoverkehr effizienter zu gestalten."

Von Andreas Schubert, München

Wie kommen die Münchner im Alltag vorwärts? Laut der vergangenen Sommer vorgestellten Studie "Mobilität in Deutschland" bevorzugen mehr Menschen denn je das Rad, dafür immer weniger das Auto. Jetzt liegt eine konkretere Auswertung der Untersuchung vor, die am Mittwoch im Planungsausschuss behandelt wird. Und die zeigt: Gemessen an den tatsächlich zurückgelegten Kilometern pro Person und Tag, spielt das Fahrrad keine so große Rolle, wie oft angenommen. Immer wichtiger wird dagegen der öffentliche Nahverkehr. Vor allem dieser müsse weiter ausgebaut werden, schreiben die Verfasser der Studie.

Der Straßenraum in München ist heiß umkämpft. Auf der einen Seite stehen die Auto-Verfechter, wegen der seit Jahren steigenden Zulassungszahlen von Autos wollen sie diesen mehr Platz geben. Auf der anderen Seite haben gerade erst am Sonntag wieder Tausende Münchner für eine bessere Radinfrastruktur demonstriert. Dass diese benötigt wird, ist bei der Politik angekommen. Bis Mitte Juli will das Planungsreferat deshalb die Möglichkeiten für einen Altstadt-Radlring prüfen. Dieser trüge dem steigenden Anteil der Radfahrer erstens Rechnung und wohl auch dazu bei, dass noch mehr Personen auf das Fahrrad umsteigen.

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Laut der Studie, für die 2017 rund 29 000 Menschen im Gebiet des Münchner Verkehrs- und Tarifverbunds befragt wurden, ist der Anteil des Radverkehrs in der Stadt im Vergleich zum Jahr 2008 um vier Prozent auf 18 Prozent gestiegen, während der Anteil der Teilnehmer am motorisierten Individualverkehr um drei Punkte auf 24 Prozent gesunken ist; hinzu kommen zehn Prozent Mitfahrer. Zum Individualverkehr, kurz MIV, zählt alles, was selbst gelenkt wird und einen Motor hat, etwa auch Mofas. Der Anteil des öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV) stieg von 21 auf 24 Prozent, der Anteil der zurückgelegten Fußwege sank in der Stadt von 28 auf 24 Prozent. Im Umland gelten ganz andere Werte. Der MIV lag bei 44 Prozent plus 14 Prozent Mitfahrer, der ÖPNV bei elf, das Rad bei 13 und die Fußwege bei 18 Prozent.

Die genannten Prozentangaben beziehen sich jedoch nur auf die Zahl der zurückgelegten Wege. Nicht berücksichtigt ist, wie lange diese tatsächlich sind. Schaut man sich die Personenkilometer an, also die zurückgelegten Strecken, verschieben sich die Relationen deutlich. So haben die Radler zwar stolze 3,1 Millionen Kilometer zurückgelegt, im Zehn-Jahres-Vergleich ein Plus von einer Million, dennoch liegt der Anteil dieser Rad-Kilometer im Stadtgebiet nur bei fünf Prozent. Zum Vergleich: Der MIV kommt auf 35 Prozent, die MIV-Mitfahrer auf 20, der ÖPNV auf 37 Prozent und der Anteil der Fußwege beträgt drei Prozent.

Insgesamt wurden in der Stadt München 60 Millionen Personenkilometer am Tag zurückgelegt. Schaut man sich die durchschnittliche Länge der zurückgelegten Wege an, so wird deutlich, dass auf den weiteren Strecken nach wie vor das Auto dominiert. MIV-Fahrer legen im Schnitt 18,9 Kilometer zurück. MIV-Mitfahrer, also zum Beispiel Personen, die Fahrgemeinschaften nutzen, kommen gar auf 25,8 Kilometer im Schnitt. Gleich danach folgt der ÖPNV mit durchschnittlichen 18,6 Kilometern. Radfahrer legen 3,6 Kilometer zurück, Fußgänger nur 1,4 Kilometer pro Weg. Als Weg definiert die Studie alle Strecken von A nach B, die zu einem bestimmten Zweck zurückgelegt werden. Wer etwa auf dem Heimweg von der Arbeit noch einen Zwischenstopp im Biergarten einlegt und sich erst später endgültig nach Hause aufmacht, hat demnach zwei Wege hinter sich gebracht. So kommt die Statistik denn auch auf die Zahl von 3,2 Wegen pro Person und Tag.

Zahlenhuberei sind derartige Statistiken nicht, für die Verfasser der Studie haben sie eine eindeutige Botschaft. Obwohl München einen anerkannt guten ÖPNV habe und der Radverkehr zunehme, würden noch immer mehr als die Hälfte aller Personenkilometer mit dem Auto (Fahrer plus Mitfahrer) zurückgelegt.

Dass der zwar deutlich gestiegene Radverkehr es im Gesamtbild nur auf einen Wert von fünf Prozent bringe, der städtische ÖPNV aber immerhin ein gutes Drittel bewältige, weise die einzuschlagende Richtung. "Wenn Verkehr umweltgerechter werden soll, wird es über den Radverkehr hinaus darauf ankommen, vor allem den ÖPNV weiter zu verbessern sowie den Autoverkehr effizienter zu gestalten", so das Fazit. "Hier liegen bezogen auf die Verkehrsleistung die wirksamsten Hebel für eine stadtverträglichere Mobilität."

Was die Beliebtheit der einzelnen Fortbewegungsarten betrifft, ist das Fahrrad laut der Studie "emotional" bei jüngeren Menschen ganz vorne. Erst mit zunehmendem Alter schnitten ÖPNV und Auto besser ab. Bei den mittleren Altersgruppen ist dabei nur etwa die Hälfte von Bussen und Bahnen überzeugt. Hier ist ein deutlicher Unterschied zwischen Stadt und Land festzustellen. Während der großstädtische Verkehr die Freude am eigenen Auto buchstäblich und zunehmend bremst, findet es auf dem Land nach wie vor die größte Zustimmung.

© SZ vom 02.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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