Verkehrswende:Raus aus dem Stau

Eine Attraktion könnte eine Seilbahn - ob in der Luft wie in dieser Visualisierung für den Frankfurter Ring - schon sein.

Eine Seilbahn - ob in der Luft wie in dieser Visualisierung für den Frankfurter Ring oder auf einem Gleis, wie es an anderer Stelle diskutiert wird - könnte zumindest eine Attraktion sein.

(Foto: Bauchplan/Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr)
  • Bis zum Jahr 2040 sollen aus den heute schon 1,5 Millionen Einwohnern bereits 1,85 Millionen geworden sein.
  • 60 Millionen Kilometer Strecke legen alle Münchner zusammen schon heute jeden Tag zurück.
  • Viele ÖPNV-Projekte, die tatsächlich Rettung vor dem Verkehrskollaps versprechen, lassen auf sich warten.

Von Andreas Schubert

Staub hier, Lärm da, Stau und Umleitungen dort. An diesem Wochenende fahren die U-Bahnlinien U1 und U2 wegen der Baustelle am Sendlinger Tor wieder einmal nur eingeschränkt. In einer Woche ist die S-Bahn-Stammstrecke gesperrt, weil auch die eine Modernisierung nötig hat, zusätzlich ist deshalb in Laim die Unterführung dicht. Am Hauptbahnhof wird das alte Empfangsgebäude abgerissen, weil ein neuer, leistungsfähiger Bahnhof gebaut werden soll. Und und und.

Es soll alles schöner und besser werden in München. Die Stadt rüstet sich für die Zukunft. Und während die Besucher über die vielen Baustellen in der Stadt staunen, haben sich die Einheimischen wohl oder übel daran gewöhnt. Hilft ja nix.

München wächst und wächst

In der Zukunft sollen alle komfortabler, schneller und vor allem umweltfreundlicher vorankommen - so zumindest das Wunschdenken vieler Bürger, Verkehrsinitiativen und Politiker, sei es im Stadtrat, im Landtag oder in den Landkreisen rund um München. Diese Zukunft soll so aussehen, dass mehr Leute auf das Auto verzichten und stattdessen mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sind. Das wäre dringend notwendig, denn München wächst und wächst.

Bis zum Jahr 2040 sollen aus den heute schon 1,5 Millionen Einwohnern bereits 1,85 Millionen geworden sein, die alle irgendwie zur Arbeit, zur Uni, zur Schule fahren müssen. Auch das Umland wächst kräftig mit, und wenn Pendler weiterhin vornehmlich aufs Auto setzen, rechnet das städtische Planungsreferat von 2030 an mit einer ganztägigen Rushhour.

Beförderung am Seil

Die Angst vor dem Dauerstau führt dazu, dass sich viele Menschen viele Gedanken darüber machen, wie die Belastung durch den Verkehr zumindest nicht noch schlimmer werden soll, und viele denken dabei natürlich auch an den Klimawandel. Es gibt Projekte, die zwar ernsthaft gefordert werden, deren Realisierung aber einiges an Fantasie verlangt. So wird über mehrere mögliche Seilbahnstrecken diskutiert, allen voran am Frankfurter Ring, für den schon nächstes Jahr eine Machbarkeitsstudie vorliegen soll. Auch in Dachau, Germering und Unterföhring denkt man über Hochseilbahnen nach.

Am Münchner Tierparkberg will die Linke dagegen prüfen lassen, ob eine Standseilbahn zwischen Obersendling und Giesing möglich ist. Standseilbahnen schweben nicht am Seil, sondern werden auf Schienen von Seilen gezogen. Sie gibt es in vielen Städten, in denen Gefälle zu überwinden sind, etwa Neapel, Lyon oder Lissabon. Und irgendwann auch in München? Eine Attraktion könnte eine Seilbahn - ob in der Luft oder auf einem Gleis - schon sein. Ob sie Verkehrsprobleme löst, ist eine andere Frage.

Langwierige Planungen bei U-Bahn und Tram

Vieles, das tatsächlich Rettung vor dem Kollaps verspricht, lässt auf sich warten. Die Tram-Tangenten im Norden und Westen Münchens sind immer noch im Planungsstadium. Die U-Bahnen der geplanten Linie U9 werden nicht vor Ende der 2030er-Jahre, wenn überhaupt, durch den Untergrund rollen. Die Verlängerung der Linie U5 nach Pasing soll zwar von 2021 an gebaut werden, aber mit einer Bauzeit von sechs bis acht Jahren.

Eine optionale Verlängerung bis nach Freiham, wo Wohnungen für rund 30 000 Menschen entstehen sollen, dürfte allerdings, wie die U9, nicht vor Ende der 2030er möglich sein. Über eine Verlängerung in die andere Richtung bis nach Ottobrunn und Taufkirchen lässt sich auch nur spekulieren, obwohl sich der Landtag nun dafür stark macht. Wann und ob die U4 nach Englschalking oder bis zur Messestadt verlängert wird, darüber gibt es derzeit ebenfalls keine verlässlichen Vorhersagen.

Die zweite Stammstrecke kommt nicht vor 2028

Die zweite S-Bahn-Stammstrecke wird frühestens 2028 fertig; dass noch weitere Verzögerungen dazukommen, dürfte sich nicht ausschließen lassen. Der S-Bahn-Ausbau zwischen Daglfing und Johanneskirchen wird frühestens Ende der 2030er-Jahre möglich sein, weitere Ausbauten, etwa der schon geplante dreigleisige Ausbau der S4 bis Buchenau stehen heute schon wieder auf dem Prüfstand. Wegen anhaltender Proteste hat Bayerns Verkehrsminister Hans Reichhart (CSU) erst vor wenigen Tagen eine Machbarkeitsstudie für einen viergleisigen Ausbau angekündigt.

Die ebenfalls von Reichhart angeleierte Studie für einen ICE-Halt am Flughafen soll zwar hauptsächlich die Zahl der Inlandsflüge reduzieren helfen, sofern sie denn zu einer Umsetzung führt. Doch dem Nahverkehr wird eine ICE-Verbindung zwischen Hauptbahnhof und Airport sicher nicht schaden.

Die MVG setzt - wenn es schnell gehen muss - lieber auf Busse

In greifbare Nähe gerückt ist, immerhin, der Ausbau des Eisenbahn-Nordrings. Laut Verkehrsministerium sollen bald Planungen starten, um das neue Forschungs- und Innovationszentrum von BMW mit Pendelzügen anzubinden. Dass auch der zugunsten des zweiten Stammstreckentunnels verworfene Ausbau des Südrings irgendwann doch kommen wird, da sind sich Verkehrsexperten einig. Die Münchner Verkehrsgesellschaft setzt, wenn es schnell gehen muss, lieber auf das Konventionelle: Busse. Doch eine Entscheidung für ein paar neue Busspuren zur Beschleunigung des öffentlichen Nahverkehrs hat der Stadtrat gerade erst vertagt.

Was also dann? Dass Car- und E-Scooter-Sharing den Stau nicht auflösen, zeigt die Erfahrung. Elektrische Lufttaxis werden's wohl auch nicht richten, auch wenn die ersten Tests der neuen Fluggeräte vielversprechend sind. Denn billig und massentauglich werden sie sicher nicht werden. Der seit Jahren zunehmende Radverkehr ist zwar höchst erfreulich und zusammen mit dem Zu-Fuß-Gehen am umweltfreundlichsten. Aber auch das Rad ist kein Allheilmittel.

19 Prozent setzen immer noch aufs Auto

60 Millionen Kilometer Strecke legen alle Münchner zusammen jeden Tag zurück. Das hat die Studie "Mobilität in Deutschland" ergeben, die kommenden Mittwoch im Stadtrat diskutiert werden soll. Für nur fünf Prozent dieser "Personenkilometer" ist das Fahrrad das Verkehrsmittel der Wahl. 19 Prozent setzen immer noch aufs Auto oder Motorrad, 18 Prozent bevorzugen den öffentlichen Nahverkehr. Fahrradwege flächendeckend gut auszubauen, wie es die Münchner dieses Jahr per Volksbegehren dekretiert haben und wie er der Stadtrat als Ziel übernommen hat, reicht alleine also nicht. Wenn der Verkehr wirklich umweltgerechter werden soll, wird es darauf ankommen, vor allem den öffentlichen Nahverkehr weiter zu verbessern.

Dass das in München etwas länger dauern kann, zeigt sich gerade.

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