Süddeutsche Zeitung

Verkehrserziehung:Schüler stoppen Raser

Die Kinder wollen darauf aufmerksam machen, dass viele von ihnen auf dem Schulweg verletzt werden. Schon am ersten Schultag ereignet sich ein weiterer schwerer Unfall.

Von Philipp von Nathusius

Die neunjährige Alia besucht die vierte Klasse der Grundschule an der Walliser Straße in Fürstenried. Und sie kann schon ein paar Brocken Englisch: "Dann jetzt mal Showtime", sagt sie laut und tritt selbstbewusst an den silberfarbenen Mercedes heran. Es soll eine Rüge setzen. Der Fahrer war zu schnell unterwegs, 42 statt der an dieser Stelle in der Graubündener Straße erlaubten 30 Stundenkilometer, die Toleranz schon abgezogen.

Alia will ihm eine der Fragen stellen, die die Schüler vorher mit Polizisten der Abteilung für Verkehrserziehung für die diesjährige Aktion "Süß oder sauer? Kinder fragen Raser" besprochenen haben. Vorwurfsvoll-belehrend klingen die: "Warum ist es für uns Kinder so wichtig, dass die Erwachsenen gute Vorbilder sind?" Oder: "Wissen Sie, wie viele Kinder im Jahr 2018 in München auf dem Schulweg verletzt wurden?"

154 waren es - und schon am ersten Tag des neuen Schuljahres meldet die Polizei einen weiteren schweren Unfall. Am Dienstagmorgen hat ein 21-Jähriger in der Rosenheimer Straße wegen zu hoher Geschwindigkeit beim Abbiegen die Kontrolle über seinen Wagen verloren und eine Neunjährige gerammt und dabei schwer verletzt. Das Mädchen war mit seiner Mutter und dem jüngeren Bruder auf dem Weg zur Schule. Die Neunjährige musste ins Krankenhaus gebracht werden.

Der ertappte Temposünder im Mercedes am Schulzentrum Fürstenried in der Graubündener Straße wirkt schuldbewusst. Er müsse dringend zu einem ärztlichen Termin, erklärt er den Kindern, die ihn zur Rede stellen, er habe eine Wunde, die nicht heile. Ein Verband im Gesicht stützt seine Behauptung. Das merkt auch eine der Polizeibeamtinnen, die Alia und die anderen Viertklässler bei der Aktion am Mittwoch begleiten. Sie übernimmt das Gespräch und belässt es in diesem Fall bei einer mündlichen Belehrung. Einen sauren Drops kriegt der Fahrer von Alia und ihrer Klassenkameradin trotzdem überreicht. Von den Grundschülern Lob und süße Bonbons bekommen an diesem Vormittag dagegen nur neun der insgesamt 25 angehaltenen Autofahrer, weil sie vorschriftsmäßig unterwegs waren.

Bei einem weniger vorbildlichen Autofahrer setzt es hingegen eine gebührenpflichtige Verwarnung. Allerdings dafür, dass er vergessen hatte, seinem Kind auf der Rückbank den Sicherheitsgurt anzulegen.

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Quelle:
SZ vom 12.09.2019/scpa
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