Süddeutsche Zeitung

Verkehr:Der MVV schafft die Bahnsteigkarte ab

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Wer bisher zu einem Bahnsteig der S- oder U-Bahn gehen, aber gar nicht mitfahren wollte, musste die 40 Cent teure Karte lösen. Schwarzfahrer haben allerdings auch in Zukunft keinen Grund zum Jubeln.

Von Andreas Schubert

"Revolution in Deutschland? Das wird nie etwas, wenn diese Deutschen einen Bahnhof stürmen wollen, kaufen die sich noch eine Bahnsteigkarte!" Das soll Lenin einst gesagt haben. Und jetzt kommt die Revolution doch, zumindest in München. Nach Jahrzehnten schafft der Münchner Tarif- und Verkehrsverbund (MVV) auf Initiative von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) die Bahnsteigkarte ab. Und zwar bereits zum 1. August.

Wer bislang zu einem Bahnsteig der S- oder U-Bahn gehen, aber gar nicht mitfahren wollte, musste die 40 Cent teure Karte lösen. Da kam es durchaus öfter vor, dass jemand, der seinem Gspusi noch zum Abschied zuwinken wollte, am Ausgang 60 Euro blechen musste. Am Marienplatz zum Beispiel war die Situation nachgerade grotesk. Wer unbedacht an den Stempelautomaten vorbei eine Abkürzung zwischen Tabakladen und Brezenstand nahm oder sich gar beim Bäcker im Untergeschoss eine Semmel holen wollte und ohne Ticket ertappt wurde, war ebenfalls 60 Euro los - dumm gelaufen, könnte man da sagen.

Schwarzfahrer haben aber auch künftig keinen Grund zum Jubeln. Denn die sogenannten Sperrenkontrollen, bei denen die Kontrolleurinnen und Kontrolleure furchteinflößende Menschenketten am Ausgang bilden, um sich ja keinen Beförderungserschleicher durch die Lappen gehen zu lassen, wird es auch weiterhin geben. Wer also unbedingt auf einen letzten Kuss am Bahnsteig besteht oder dort jemanden abholen will, muss sich bei den Kontrolleuren, die laut MVV rechtzeitig auf die Kontrolle hinweisen, anmelden und bekommt gratis einen Zugangsschein, der 30 Minuten gültig ist.

Recht wenig Zeit für frisch Verliebte, sich gebührend zu verabschieden. Künftig müssen sie auch aufpassen, dass sie nicht zum U-Bahn-Knutschen gehen, bevor die Kontrolleure aufmarschieren. Denn dass diese Frühlingsgefühle als Ausrede für ein fehlendes Ticket hätten gelten lassen, das ist bisher in München noch nicht vorgekommen.

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Quelle:
SZ vom 06.07.2019
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