Süddeutsche Zeitung

Elektromobiliät:Weg vom klassischen Verbrenner

Lesezeit: 3 min

Von Max Ferstl

Elektrische Mobilität ist gerade ziemlich angesagt, besonders im Umweltreferat in der Bayerstraße 28A. Sogar die Eingangstür öffnet sich automatisch. Allerdings warnt ein Zettel den Besucher, dass der Mechanismus "aktuell nur sporadisch" funktioniere, "wie es der Tür beliebt". Man zieht und drückt, doch die Tür will nicht. Man drückt nicht mehr, und die Tür ruckelt auf. Kein Trend ohne Tücken.

Bis 2050 soll München eine klimaneutrale Stadt werden. Damit das klappt, muss der E-Trend zum Standard werden - wobei Türen eher eine untergeordnete Rolle spielen dürften. Entscheidender ist, was vor der Tür mit dem Verkehr passiert, der immer noch den Großteil der schlechten Luft in München ausmacht. Es braucht saubere Fahrzeuge, mehr E-Autos, mehr E-Busse, mehr E-Bikes, E-Roller, vielleicht sogar E-Scooter. Elektrische Mobilität muss ganz grundsätzlich funktionieren. Aktuell tut sie das eher sporadisch, wie die Tür des Umweltreferats.

Die Stadt will das ändern. Sie hat 60 Millionen Euro bereitgestellt für ein kompliziertes Förderprogramm. Es heißt auch kompliziert: Integriertes Handlungsprogramm zur Förderung der Elektromobilität in München. Die Luft soll sauberer, das Klima geschont, der Lärm gedämpft werden. Ein Teil des Geldes, etwa zehn Millionen, fließt in das Programm "München e-mobil": Dieses soll Unternehmer, aber auch normale Bürgerinnen und Bürger motivieren, sich kleinere elektrische Gefährte zuzulegen. Dann, so die Hoffnung der Stadt, steigen die Menschen seltener ins Auto. Wer zum Beispiel einen E-Roller kauft, bekommt 25 Prozent des Nettopreises erstattet. "Wir wollen die Menschen wegbringen vom klassischen Verbrenner", sagt Umweltreferentin Stephanie Jacobs. Und zum Teil scheint der Plan bereits aufzugehen.

Seit dem Start des Programms 2016 haben die Münchner mehr als 7000 Anträge gestellt, beliebt sind vor allem elektrische Lastenfahrräder. In den vergangenen Monaten ist das Interesse so stark gestiegen, dass das Referat mit der Bearbeitung kaum hinterherkommt. Zehn Wochen müssen Antragssteller im Schnitt warten, zu Jahresbeginn waren es nur drei. Man hört inzwischen die Klagen von Menschen, die das Programm im Grunde zwar gut fänden, von der langen Bearbeitungszeit aber genervt seien. Wer will schon monatelang auf einen Zuschuss warten?

Umweltreferentin Jacobs sagt, sie könne den Unmut verstehen. Und dass einiges zusammengekommen sei: die Ferienzeit, Krankheitsfälle und natürlich die Antragsflut. Sie sagt aber auch: "Die Entwicklung ist eine erfreuliche Botschaft." Eine Studie, an der knapp 1000 Antragssteller teilnahmen, habe gezeigt, dass viele ihr Auto oft stehen lassen und stattdessen das geförderte Fahrzeug nutzen. Auf diese Weise würden mindestens 702 Tonnen CO₂ pro Jahr eingespart, was ungefähr dem Gewicht von 140 Elefanten entspricht - und doch zu wenig ist.

1 832 000 Tonnen CO₂ blies der Münchner Verkehr im Jahr 2014, dem letzten Monitoring, in die Luft. Seitdem dürfte sich die Menge kaum verringert haben, denn die Zahl herkömmlicher Autos wächst. Mehr als 740 00 Stück sind derzeit in München zugelassen, nur 0,65 Prozent haben einen Elektroantrieb (4793). Im Kleinen liegt die E-Mobilität im Trend, im Großen eher nicht. Noch immer fahren zu viele Autos herum, verstopfen die Straßen, verdrecken die Luft. Jeder, der sich autofrei fortbewegt, verbessert die Situation ein bisschen. Deshalb möchte Jacobs "München e-mobil" ausbauen. Von den veranschlagten zehn Millionen Euro wurden 3,5 Millionen ausbezahlt, Anträge im Volumen von 3,1 Millionen liegen vor. Das Programm läuft noch bis Ende 2020. Weil das Geld kaum reichen dürfte, will Jacobs den Stadtrat demnächst um zusätzliche vier Millionen bitten. Und sie plant, weitere elektrische Fahrzeuge zu subventionieren.

Zum Beispiel E-Scooter, der neueste Trend, der kontroverse Debatten hervorruft. Es gibt Bedenken bei der Sicherheit und die Polizeistatistik, der zufolge Betrunkene besonders gerne auf die Tretroller klettern, bestärkt Kritiker ebenfalls. Andererseits könnten die Scooter, wie Befürworter argumentieren, das ideale Gefährt für kurze Strecken in der Stadt sein. "Menschen müssen sich an Neues gewöhnen", sagt Jacobs. Ob sie tatsächlich ihr Auto stehen lassen, um Tretroller fahren - das soll eine Studie herausfinden. Es wäre eine weitere kleine Lösung für ein sehr großes Problem.

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Quelle:
SZ vom 10.09.2019
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