Verkehrswende in München:Verbot mit hoher Symbolkraft

Verkehrswende in München: Dichter Verkehr schiebt sich über den Mittleren Ring in München.

Dichter Verkehr schiebt sich über den Mittleren Ring in München.

(Foto: Matthias Balk/dpa)

Die Koalition aus Grünen und SPD greift zu drastischen Mitteln: Fahrverbote für ältere Diesel. Die Folgen werden nicht ganz so drastisch ausfallen wie es sich anhört. Warum das trotzdem richtig ist.

Kommentar von Heiner Effern

Lange Zeit ging es im Ringen um saubere Luft in München so zäh vorwärts wie am Feierabend auf dem Mittleren Ring. Doch nun greift die Koalition aus Grünen und SPD zu drastischen Mitteln: Fahrverbote für ältere Diesel. Es soll Schlag auf Schlag gehen, im Februar wird es die Fahrzeuge mit der Euro-Norm vier erwischen, im Oktober 2023 ziemlich sicher auch die mit Schadstoffklasse fünf. Mehr als 100 000 Fahrzeuge alleine aus München dürfen dann nicht mehr über den Ring hinein in die Innenstadt fahren und künftig auch nicht mehr auf dem Ring selbst. Der Beschluss im Stadtrat dürfte eine Formsache sein.

Damit wird die Koalition Anwohner der Landshuter Allee oder der Tegernseer Landstraße erfreuen, viele Autofahrer aber auch verprellen. Doch die Stadt ist als Objekt des Zorns wenig geeignet, erster Adressat sollte die bayerische Staatsregierung sein. Diese hat als verantwortliche Instanz für die Luftreinhaltung in München jahrelang zugeschaut, wie Münchnerinnen und Münchner eine unzulässige Menge an giftigem Stickstoffdioxid einatmen mussten. Sie hat Gerichte ignoriert und damit nicht nur das Recht auf Gesundheit vieler Menschen missachtet, sondern auch einen offenen Rechtsbruch begangenen, eine Katastrophe für die Vorbildwirkung des Staats. Anstatt konsequent zu handeln, hat der Freistaat im Jahr 2021 einfach kurzerhand die Verantwortung an München übertragen und ist nun fein raus.

Die Stadt hat diese Drückeberger-Mentalität stets kritisiert, insofern ist es nun konsequent, dass sie schnell Fakten schafft. Allerdings klingen die Dieselverbote etwas wuchtiger als sie sich im Alltag auswirken werden. Die Koalition hat großzügig Regeln für Ausnahmen eingebaut, kontrolliert wird zudem kaum. Die Symbolkraft ist hoch, die Folgen werden nicht ganz so drastisch ausfallen wie es sich anhört. Das ist angebracht. Tatsache ist nämlich auch, dass die Luft in München, auch an den Hotspots, schon sehr lange nicht mehr so sauber war wie im Jahr 2022. Der Anteil von Stickoxiden in der Luft hat sich auch bisher schon kontinuierlich verringert, was weniger politischen Vorgaben als einfach saubereren Motoren zu verdanken ist.

Insofern hat die Koalition das auch geschickt verkauft: Sie beweist Handlungskraft, tut den Wählern nicht zu sehr weh und sorgt dafür, dass weniger Menschen aus dem Umland mit dem Auto bis in die Innenstadt fahren. Das wiederum gibt möglicherweise der Verkehrswende einen Schub, die bis auf den Bau von ein paar Radwegen bisher auch nicht viel schneller vorankommt als das Ringen um saubere Luft.

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