Ausstellung:Der Siegeszug des Leihrads

Ausstellung: Echte Räder und zahlreiche Schautafeln: Die Ausstellung "Bikesharing. Das Radeln neu erfunden" richtet den Blick auf die Entwicklung des gemeinschaftlich genutzten Fahrrads und seine Bedeutung für die Mobilitätswende.

Echte Räder und zahlreiche Schautafeln: Die Ausstellung "Bikesharing. Das Radeln neu erfunden" richtet den Blick auf die Entwicklung des gemeinschaftlich genutzten Fahrrads und seine Bedeutung für die Mobilitätswende.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Vorübergehende Pannen wie die Obike-Schwemme aus Singapur haben seinen Erfolg in der Stadt nicht aufhalten können. Das Verkehrszentrum feiert nun Münchens Vorreiterrolle.

Von Berthold Neff

Es ist nun schon ein Vierteljahrhundert her, dass in München die bestrickende Idee der Leihräder geboren wurde, die man unkompliziert ausleihen und zurückgeben kann. Etwas umständlich war es anfangs aber schon, was die beiden Münchner Christian Hogl und Josef Gundel ihrer Stadt als "Call a Bike" präsentierten, denn die Räder standen damals nur rings um die gelben Telefonzellen der Post.

Der Grund dafür war, dass die Nutzer damals übers Festnetz eine Hotline anrufen mussten, um den Code zum Entsperren des Fahrrads zu erfahren. Später, als sich die Handys durchgesetzt hatten, wurde einem der Code per SMS mitgeteilt. Das junge, hoffnungsvoll angetretene Start-up war zu diesem Zeitpunkt aber finanziell schon in Not und verkaufte das gesamte System an die Deutsche Bahn.

20 Jahre sind seitdem vergangen, und nun präsentiert die Deutsche Bahn AG zusammen mit dem Deutschen Museum in Halle 1 des Verkehrszentrums in einer Sonderschau, die an diesem Freitag eröffnet wird und die bis zum 16. April 2023 läuft, die Entwicklung des "Bikesharing". Es ist die weltweit erste derartige Ausstellung zu diesem Thema, und da München einst die Vorreiterrolle innehatte bei diesem Thema, ist sie auch an der richtigen Stelle.

Ausstellung: Der Blick reicht mehrere Jahrzehnte zurück.

Der Blick reicht mehrere Jahrzehnte zurück.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
Ausstellung: Auch wenn der Fokus auf der Zukunft liegt: Die Vergangenheit des Radelns kommt nicht zu kurz.

Auch wenn der Fokus auf der Zukunft liegt: Die Vergangenheit des Radelns kommt nicht zu kurz.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
Ausstellung: Eine Übersichtskarte zeigt die Verteilung der Anmiet-Stationen.

Eine Übersichtskarte zeigt die Verteilung der Anmiet-Stationen.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Die ansprechend gestalteten Schautafeln mit vielen Rädern zeigen mit Beispielen aus Deutschland, aber auch aus der ganzen Welt, wie sich die Idee der Leihräder zunehmend durchsetzt. Allein in München gibt es derzeit drei große Anbieter. Neben dem System "Call a Bike" der Bahn mit inzwischen 1200 Rädern gibt es seit 2015 das Angebot von MVG Rad mit 4500 Rädern. Außerdem ist seit 2019 auch der Anbieter TIER E-Bike mit von der Partie, der als einziger Pedelecs anbietet. Ganz neu dabei ist Avocargo Bike, das 47 Lastenräder zum Ausleihen bereithält.

In der Ausstellung wird auf einer großen Stadtkarte deutlich, wie eng das Netz mit Stationen mittlerweile ist, an denen man die Räder findet und im Idealfall auch wieder zurückgibt. Sie fallen auch längst nicht so negativ auf Gehsteigen ins Auge wie die vielen E-Scooter. Vor vier Jahren war das noch ganz anders. Da tauchten wie aus dem Nichts plötzlich etwa 7000 gelbe Leihräder des Anbieters Obike aus Singapur auf den Gehwegen auf und wurden deshalb, vor allem aber auch wegen ihrer schlechten Qualität, zum Ärgernis. Als das Unternehmen dann Insolvenz anmeldete, dauerte es noch bis Anfang 2019, bis auch die letzten gelben Räder aus dem Stadtbild verschwunden waren.

Dabei ist es ja keineswegs so, dass Leihräder nicht von Nutzen wären, ganz im Gegenteil. Sie stellen einen wichtigen Baustein beim Klimaschutz dar, weil sie es den Menschen ermöglichen, sich im Zusammenspiel mit dem öffentlichen Personennahverkehr umweltfreundlich fortzubewegen. "Die gemeinsame Nutzung von Fahrzeugen ist ein Weg, der Mobilität für alle verfügbar hält und doch Ressourcen schont", sagte Bettina Gundler, die Leiterin des Verkehrszentrums, bei einem ersten Rundgang durch die Ausstellung. Isabella Grahsl von der DB Connect GmbH, die im Auftrag der Bahn bundesweit 13 000 Leihräder anbietet, sieht im Bikesharing noch viel Potenzial.

In Dänemark waren vor Jahrzehnten schon Räder mit einer Pfandmünze auszuleihen

Dass Deutschland bei diesem Thema noch aufholen muss, wird beim Gang durch die Ausstellung deutlich. In Kopenhagen zum Beispiel werden Leihräder viel häufiger genutzt als hierzulande. Leihräder haben in Dänemark auch eine vergleichsweise lange Tradition. Einige Städte boten dort schon Anfang der Neunzigerjahre Leihräder an, die man denkbar einfach in Gang setzen konnte. Es reichte, wie beim Einkaufswagen eine Pfandmünze ins Schloss zu schieben.

Bei den Leihrädern der neuesten Generation ist das ganz anders, sie verfügen über einen ausgeklügelten Verschlussmechanismus. Der Vandalismus allerdings, der sich vor ein paar Jahren an den gelben Rädern von Obike austobte (eines findet sich in der Ausstellung in einem Verschlag wieder), macht den Betreibern aber zunehmend zu schaffen. Sie investieren daher in die Technik der Räder, vor allem in die Schlösser, damit sie kaum oder nur sehr schwer zu knacken sind - wozu vor Kurzem eine sogenannte Challenge bei Tiktok aufforderte.

Ausstellung: Weit entfernt vom Gesamt-Tarifsystem: Isabella Grahsl von der DB Connect GmbH sieht noch reichlich Hürden auf dem Weg zu einheitlichen Lösungen.

Weit entfernt vom Gesamt-Tarifsystem: Isabella Grahsl von der DB Connect GmbH sieht noch reichlich Hürden auf dem Weg zu einheitlichen Lösungen.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Was den Siegeszug der Leihräder beschleunigen würde, wären natürlich eine einheitliche App und ein Gesamt-Tarifsystem, am besten eingegliedert in die Tarife des Nahverkehrs. Davon aber sei man in Deutschland noch weit entfernt, konstatiert Isabella Grahsl von DB Connect. Das Unternehmen betreibt übrigens auch Systeme im kommunalen Auftrag, zum Beispiel in Hamburg, Stuttgart und Lüneburg.

Wie genau das mit den Leihrädern nun funktioniert, davon können sich die Gäste der Ausstellung am Samstag, 15. Oktober, bei der Langen Nacht der Museen selbst überzeugen, an der Pop-Up-Station von "Call a Bike" am Verkehrszentrum. Wer in der Call-a-Bike-App angemeldet ist und den Code "nachtradeln" nutzt, erhält ein Guthaben von fünf Euro - genug, um während dieser Nacht von einem Museum zum anderen zu radeln.

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