Süddeutsche Zeitung

Verkaufsoffene Wochenenden:Streit um den Sonntag

Die Grünen und die CSU wollen in der Vorweihnachtszeit an zwei Sonntagen die Läden öffnen. Das soll dem Einzelhandel im Corona-Jahr helfen. SPD und Linke sind dagegen, um die Arbeitnehmer zu schützen.

Von Anna Hoben und Christian Rost

Die Grünen setzen sich im Stadtrat für zwei verkaufsoffene Sonntage in der Vorweihnachtszeit ein. Der Antrag zielt darauf ab, dem Münchner Einzelhandel in diesem schwierigen Coronajahr zu helfen. Die SPD lehnt - wie die Linke - den Vorstoß mit Verweis auf den Sonntagsschutz für die Arbeitnehmer ab und stellt sich damit auf die Seite der Gewerkschaften. Offen zeigt sich die CSU: Falls verkaufsoffene Adventssonntage rechtlich machbar seien, "werden wir uns nicht dagegen sperren", so Fraktionsvorsitzender Manuel Pretzl. Der Verband der Innenstadtgeschäftsleute, City-Partner, würde eine Sonntagsöffnung des Handels "außerordentlich begrüßen".

Sonntagsöffnungen werden seit Jahrzehnten auch in Münchner immer wieder gefordert - und regelmäßig mit abschlägigen Entscheidungen vor Gericht begraben.

Der bayerische Landtag hat deshalb erst am Dienstag einen Dringlichkeitsantrag der FDP, die Ausnahmen forderte, abgelehnt. CSU, Freie Wähler, SPD, Grüne und Linke erteilten dem Vorhaben unisono eine Absage. Der Deutsche Gewerkschaftsbund begrüßte die Entscheidung und betonte: "Eine weitere Schleifung des Sonntagsschutzes darf es nicht geben", so Bayerns DGB-Chef Matthias Jena. So sieht es auch SPD-Stadträtin Simone Burger: "Der Sonntagsschutz ist für uns ein unglaublich hoher Wert, den es zu schützen gilt. Gerade in diesen Zeiten, die ziemlich anstrengend für uns alle sind, braucht es Erholungszeiten. Die sollen die Arbeitnehmer dann auch mit der Kernfamilie am Sonntag verbringen können." Die Linke im Stadtrat will den "häufig schlecht bezahlten Beschäftigten im Einzelhandel", die ohnehin "an vorderster Front und Gefahr der Pandemie" stünden, zum Jahresabschluss nicht noch zusätzliche Belastungen aufbürden.

Stadträtin Julia Post und Bürgermeisterin Katrin Habenschaden haben den Antrag von Grüne/Rosa Liste mit der "äußerst schwierigen wirtschaftlichen Lage des Münchner Einzelhandels und mit der entzerrenden Wirkung begründet, die durch die Schaffung von zwei zusätzlichen Einkaufstagen entstünde. Sie betonten, dass es sich um eine einmalige Ausnahme handeln würde, die allein durch die teilweise dramatischen Umsatzeinbrüche der Münchner Läden während der Corona Pandemie bedingt sei. Julia Post: "Gerade jetzt ist es wichtig, den Einkauf vor Ort zu stärken. Dazu ist es auch notwendig, die Anwesenheit von Menschen in den Läden über einen längeren Zeitraum zu verteilen."

Mit dem Argument, Kundenströme während der Pandemie in der Weihnachtszeit durch Sonntagsöffnungen entzerren zu können, hat gerade die Staatsregierung in Nordrhein-Westfalen eine Ausnahmeregelung beschlossen. Deren Corona-Schutzverordnung sieht vor, dass Geschäfte in NRW an allen Adventssonntagen von 13 bis 18 Uhr geöffnet haben dürfen. Das Oberverwaltungsgericht in Münster äußerte in einer ersten Stellungnahme erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit und betonte das besondere Gewicht des Schutzes des arbeitsfreien Sonntags. Vor Gericht entschieden ist über die Sonntagsöffnungen in Corona-Zeiten aber noch nicht.

Dass eine Ausnahmeregelung auch für München beschlossen wird, darauf hofft der Verband der Innenstadtgeschäftsleute. Der Geschäftsführer von City-Partner, Wolfgang Fischer, sagt, der Handel befinde sich "in einer nie dagewesenen Situation" und brauche Unterstützung. Die Umsätze lägen bis zu 40 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Auch viele Beschäftigte in den Geschäften, um deren Existenz es gehe, würden eine Sonntagsöffnung begrüßen: "Sie sorgen sich nicht um ihre Freizeit, sondern um ihre Arbeitsplätze", so Fischer.

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SZ vom 15.10.2020
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