Prozess in München:Getränkeflaschen vergiftet: 57-Jährige muss in Psychiatrie

Supermarkt in München während der Corona-Krise, 2020

In zwei Münchner Supermärkten hatte die 57-Jährige die vergifteten Getränke gebracht.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die Frau brachte fünf Menschen in Lebensgefahr, darunter zwei Kinder. Das Gericht ist jedoch überzeugt davon, dass sie ihr Handeln nicht steuern konnte.

Von Andreas Salch

Es hätte jeden treffen können: Cornelia S. (Name geändert) versetzte Erfrischungsgetränke mit einer giftigen Substanz und brachte damit zwei kleine Mädchen und drei Erwachsene in Lebensgefahr. Die 57-Jährige leidet an paranoider Schizophrenie, hört Stimmen in ihrem Kopf und fühlt sich von einer "Gifthexe fremdgesteuert", die ihr "Gedanken eingibt".

Da die Kunsttherapeutin wegen ihrer Krankheit strafrechtlich nicht verantwortlich gemacht werden kann, hat ein Schwurgericht am Landgericht München I an diesem Freitag die zeitlich unbefristete Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik angeordnet. Ohne Behandlung bestehe die Gefahr, dass die Beschuldigte "mit hoher Wahrscheinlichkeit vergleichbare Taten" begehe, sagte die Vorsitzende, Richterin Elisabeth Ehrl, bei der Urteilsbegründung. Cornelia S. nahm das Urteil äußerlich völlig regungslos zu Kenntnis.

Der Fall der 57-Jährigen hatte im Frühjahr 2020 für Schlagzeilen gesorgt. Kunden, die in zwei Münchner Supermärkten von einer bestimmten Limonade getrunken hatten, zeigten plötzlich Vergiftungserscheinungen. Eines der drei Opfer, eine Mutter kollabierte vor ihrer Haustüre. Die Polizei warnte die Öffentlichkeit, beim Kauf von Limonadeflaschen darauf zu achten, ob der Schraubverschluss locker sei. Die Ermittler der 22-köpfigen Sonderkommission Tox, Profiler und Spezialisten des Bayerischen Landeskriminalamtes standen anfangs vor einem Rätsel. Denn es gab keine Erpresserschreiben oder Drohbriefe.

Bei der Wohnungsdurchsuchung fand die Polizei entscheidende Hinweise

Nach wochenlangen Ermittlungen hatten die Fahnder Erfolg. Cornelia S. war der Polizei bereits wegen kleinerer Delikte in der Vergangenheit bekannt. Da sie in einem der beiden Supermärkte, in dem eine vergiftete Limonadenflasche gefunden wurde, mit ihrer EC-Karte bezahlte, kamen ihr die Ermittler auf die Spur. Am 5. Juni vergangenen Jahres wurde die 57-Jährige vorläufig festgenommen und einstweilig in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik untergebracht.

Bei der Durchsuchung der Wohnung von Cornelia S. fand die Polizei weitere wichtige Hinweise dafür, dass sie die vergiftete Limonade in den Supermärkten deponiert hatte. Unter anderem wurde ein Reagenzglas mit Anhaftungen des Lösungsmittels Gamma-Butyrolacton, kurz GBL, gefunden. Es war dieselbe Substanz, die sich in den präparierten Limonadenflaschen in den beiden Supermärkten befand. Auf dem Laptop der Kunsttherapeutin entdeckten die Fahnder zudem ein Faktenblatt mit der Wirkung von GBL, das sich die 57-Jährige aus dem Internet heruntergeladen hatte. Deshalb gehe die "Kammer davon aus, dass die Beschuldigte wusste, dass GBL auch tödlich sein kann", sagte Richterin Ehrl bei der Urteilsbegründung. Ab einer Dosis von etwa 3,4 Gramm führt GBL zu Bewusstlosigkeit und komaähnlichem Schlaf bis hin zum Tode. In einer der von S. mit GBL versetzten Flaschen, die die Fahnder glücklicherweise hatten sicherstellen können, fanden sich 65 Gramm der Substanz.

Bei den weiteren Ermittlungen stieß die Polizei auf eine weitere Tat, die bis dahin als ungeklärt galt - die Vergiftung zweier Mädchen auf einer Bücherschau im Gasteig im November 2018. Die Opfer waren damals sieben und zehn Jahre alt. Sie hatten sich von einem Schankwagen ein Glas Apfelschorle geholt und nacheinander daraus getrunken. Kurz darauf wurde ihnen übel und sie brachen zusammen.

Eine Postkarte als Beweis für den Giftanschlag im Gasteig

Den Ermittlern gelang es, Cornelia S. auch diese Tat unter anderem anhand einer Postkarte nachzuweisen. Die Kunsttherapeutin hatte sie wenige Tage nach dem Giftanschlag an ihre Ärztin geschickt, die sie wiederum der Polizei übergeben hatte. Die DNA, die sich darauf befand, stimmte mit der von Cornelia S. überein. Beschrieben war die Karte mit den Worten "Gasteig" und "Notarzteinsatz". Davon habe nur die 57-Jährige wissen können, stand für die Ermittler fest. Denn über den Vorfall auf der Bücherschau war in den Medien nicht berichtet worden.

Zum Zeitpunkt der Tat im Gasteig habe sich Cornelia S., so die Richter der Schwurgerichtskammer, aufgrund ihrer Krankheit in einer tiefen Krise befunden. Hinzu kam, dass ihre Eltern gestorben waren und sie die Diagnose Brustkrebs erhalten hatte. In der Folgezeit, so Richterin Ehrl, habe die Beschuldigte den "Drang" verspürt, "anderen Personen GBL zu verabreichen".

Das Gericht folgte mit seinem Urteil dem Antrag von Staatsanwalt Daniel Meindl. Die Verteidigerin der 57-Jährigen, Rechtsanwältin Birgit Schwerdt, und ihr Kollege Christian Gerber plädierten dafür, die Unterbringung zur Bewährung auszusetzen.

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