Urteil:Kein Zweifel an der Schuld

  • Am 20. März 2016 wurde nachts eine Frau in Haar vergewaltigt. Nun hat das Gericht zwei Männer schuldig gesprochen.
  • Der eine Mann wird wegen Vergewaltigung und Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt.
  • Der andere Täter erhält eine zweieinhalbjährige Haftstrafe wegen Beihilfe zur Vergewaltigung und Körperverletzung.
  • Die Geschädigte leide massiv, sagt die Nebenklage-Anwältin: "Sie kann bis heute ohne Begleitung nicht mehr das Haus verlassen, wenn es dunkel wird."

Aus dem Gericht von Susi Wimmer

"Ich habe als Anwalt schon die skurrilsten Wendungen in Prozessen erlebt", sagt Verteidiger Stefan Korn und will damit eine Lanze für seinen Mandanten brechen. Es geht um Vergewaltigung, und es steht Aussage gegen Aussage. Tatsächlich hält der Prozess vor der zwölften Strafkammer am Landgericht München I etliche Überraschungen bereit. Angefangen von einer Staatsanwältin, die die Courage hat, einen Fehler einzugestehen, bis hin zu einem der Angeklagten, der mit Drogen in der Tasche an der Einlasskontrolle des Gerichts erwischt wird, und einem Opfer, das sich anfänglich zu widersprechen scheint.

Aber am Ende des Tages spricht der Vorsitzende Richter Frank Zimmer klare Worte: Er verurteilt Mohammad J. wegen Vergewaltigung und Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten. Imran M. wird im Gerichtssaal die Festnahme erklärt, er wird wegen Beihilfe zur Vergewaltigung und Körperverletzung zu zweieinhalb Jahren verurteilt.

Die Tat, die am Montag abgeurteilt wurde, liegt bereits mehr als drei Jahre zurück. Es geht um eine Vergewaltigung in Haar. Das Opfer hatte die Tat sofort angezeigt: Sie sei am 20. März 2016 nachts nach dem Feiern an einer Bushaltestelle in Haar von zwei unbekannten Männern angesprochen worden. Einer sei immer näher gerückt, schließlich habe man sie gepackt und auf eine Wiese gezerrt. Einer habe sie vergewaltigt, der andere sei dabei gestanden, sie habe nach der Tat fliehen können.

Die Polizei ermittelte, die Staatsanwaltschaft stellte jedoch wegen Widersprüchen in der Aussage der Frau das Verfahren wieder ein. Zwei Monate später wurde im Alten Botanischen Garten nachts eine junge Frau von einem Unbekannten angesprochen. Er rückte auf der Bank immer näher, packte sie an den Schultern und wollte sie vergewaltigen. Die Frau wehrte sich, konnte entkommen und die Polizei fasste den Täter: Mohammad J., heute 27 Jahre alt.

Für den Richter steht zweifelsfrei fest, dass die Version des Opfers stimmt

Die Generalstaatsanwaltschaft legte Beschwerde gegen die Einstellung des Haarer Falls ein. Und zugleich ergab die Einspeisung von Mohammad J.s DNA in den Computer einen Treffer: Er hatte bei der Tat in Haar Spuren hinterlassen, die zunächst niemandem zugeordnet werden konnten. Und er behauptete nun, der Geschlechtsverkehr mit der Frau sei einvernehmlich gewesen.

"Völlig abwegig", urteilte die Strafkammer. Wieso sollte eine Frau im März nachts mit einem Unbekannten auf einer Wiese freiwilligen Sex ohne Kondom haben, fragte Zimmer. Noch dazu, wo sie unter zwei Arten von Hepatitis leide, gerade dabei war, eine neue Beziehung zu einem Mann aufzubauen, und mit ihm keinen Sex hatte, weil sie es langsam angehen wollte. "Ja", sagt Zimmer, auch er kenne skurrile Fälle und oft sei vor der Verhandlung der Fall anhand der Aktenlage eindeutig. "Hier war das nicht so." Aber die Geschädigte habe vor Gericht völlig glaubhaft den Hergang geschildert. Für den Richter stand zweifelsfrei fest, dass ihre Version stimme. Ihre "Blackouts" und vermeintlichen Widersprüche erklärte der psychiatrische Gutachter Jürgen Reiss mit einer dissoziativen Amnesie, schlicht: Die Psyche schützt sich in einer Extremsituation und schaltet das Hirn auf Durchzug.

Staatsanwältin Melanie Rochner hatte eine Gesamtstrafe von sechseinhalb Jahren für Mohammad J. gefordert, einbezogen war darin die zweijährige Bewährungsstrafe, die er vom Amtsgericht für die versuchte Vergewaltigung im Botanischen Garten erhalten hatte. Zudem forderte sie, Imran M. wegen gemeinschaftlicher Vergewaltigung zu drei Jahren und neun Monaten zu verurteilten. Auch deshalb, weil die Geschädigte laut Nebenklage-Anwältin Ruth Beer massiv leide: "Sie kann bis heute ohne Begleitung nicht mehr das Haus verlassen, wenn es dunkel wird." Beide Verurteilten stammen aus Pakistan und hatten in Deutschland Asyl beantragt. "Es ist bedauerlich, dass sie es nicht geschafft haben, hier Fuß zu fassen", sagte Richter Zimmer. Er kenne aus seiner ehrenamtlichen Arbeit Flüchtlingsunterkünfte. "Ich verstehe nicht, dass sie es sich selbst schwer machen, Straftaten begehen, mit Rauschgift handeln, Drogen nehmen. Das verhindert die Integration."

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