Prozess am AmtsgerichtPalästina-Aktivistin wird nach Demo verurteilt

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Vor dem Amtsgericht demonstrierten Pro-Palästina-Aktivisten, im Gerichtssaal hatte nur ein Teil von ihnen Platz.
Vor dem Amtsgericht demonstrierten Pro-Palästina-Aktivisten, im Gerichtssaal hatte nur ein Teil von ihnen Platz. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Ist das Verwenden des River-Slogans bei einer Demo strafbar?  Nein, sagt der Verteidiger der Aktivistin, er sieht im Verbot ein politisches Werkzeug. Doch, sagt die Richterin, der Satz sei „eindeutig “der Terrororganisation zuzuordnen.

Von Bernd Kastner

Eine propalästinensische Aktivistin ist in München verurteilt worden, weil sie bei zwei Versammlungen einen der umstrittensten politischen Slogans wörtlich und abgewandelt gebraucht hat: „From the river to the sea, Palestine will be free“. Vom Fluss Jordan bis zum Mittelmeer soll Palästina frei sein. Dem Bundesinnenministerium gilt der Spruch als Kennzeichen der in Deutschland verbotenen Terrororganisation Hamas, die damit das Existenzrecht Israels bestreite. Das Amtsgericht hat Rihm D. zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 40 Euro verurteilt.

Für die Staatsanwaltschaft ist der Slogan strafbar wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen, deshalb hat sie zwei Strafbefehle gegen D. erwirkt. Die 30-Jährige räumt die ihr vorgeworfenen Zitate zwar ein, widersprach aber den Strafbefehlen, sodass am Freitag vor dem Amtsgericht verhandelt wird. Mehrere Dutzend Personen aus der Pro-Palästina-Bewegung kommen zu einer Demo vor das Gericht, später im Verhandlungssaal hat nur ein Teil von ihnen Platz.

In einem Statement erklärt D. ihren familiären Hintergrund. Ihre aus Palästina stammende Familie sei im Zuge der Staatsgründung Israels vertrieben worden, sie wisse aus Erzählungen und eigenem Erleben, wie brutal und ungerecht das israelische Militär gegen Palästinenser vorgehe. Sie bezeichnet das Agieren Israels in Gaza und inzwischen auch im Westjordanland als Genozid. Der inkriminierte River-Satz sei in Palästina seit Jahrzehnten verbreitet und älter als die in den 80er-Jahren gegründete Hamas. Er drücke das Ziel aus, dass alle Menschen in Palästina in Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit leben sollten, egal welcher ethnischen Herkunft sie seien.

Verteidiger Matthes Breuer kritisiert generell das Verbot des Slogans als bewusste Politik: „Es geht einzig und allein darum, die Palästina-solidarische Bewegung anzugreifen und zu diffamieren.“ Die Hamas verweise mit dem River-Satz auf einen geografischen Raum und verwende ihn nicht als Parole oder Gruß. Vor dem 7. Oktober 2023, als die Hamas Israel angriff, sei der River-Satz von Experten nicht als angebliches Symbol der Hamas qualifiziert worden. Inzwischen sei das Verbot des Satzes ein Mittel, um eine politisch missliebige Bewegung „mit Terroristen gleichzusetzen“.

Die strafrechtliche Bewertung des River-Satzes ist hoch umstritten. Es gibt keine einheitliche Rechtsprechung, der Bundesgerichtshof hat dazu noch nicht entschieden, sodass es keine Rechtssicherheit gibt. Auch auf Ebene der Verwaltungsgerichte gibt keine einheitliche Rechtsprechung.

Die Richterin am Amtsgericht folgt in ihrem Urteil der Argumentation der Anklage: Der River-Satz sei „eindeutig“ ein Kennzeichen der Hamas, die damit „denklogisch“ ein Auslöschen Israels fordere. Zwar nehme sie, die Richterin, der Aktivistin D. ab, dass sie nicht der Hamas nahestehe, das aber spiele in diesem Fall keine Rolle. Sie habe sich beim Verwenden der Parole nicht entsprechend distanziert. Verteidiger Breuer kündigt an, Berufung gegen das Urteil einzulegen.

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