Eine gewisse Fassungslosigkeit lässt sich aus dem ansonsten eher trockenen Juristendeutsch des Urteils schon herauslesen: Die Stadtverwaltung konnte nicht erklären, und das trotz mehrmaliger Nachfragen des Gerichts, nach welchen Kriterien sie die Straßen in unterschiedliche Gebührenklassen einordnete, weil es darüber keine Unterlagen gibt. Dabei lautet der vornehmste Grundsatz deutscher Bürokratie doch seit jeher: Kein Vorgang ohne schriftlichen Beleg.
In der Angelegenheit "Gebührenerhöhung für Freischankflächen" aber hat man anscheinend alles im Wesentlichen mündlich erörtert; jedenfalls fand sich nichts in den Akten, und man konnte auch nicht erklären, ob es jemals Akten darüber gab oder ob sie einfach nur verschlampt worden sind.

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Das sind erstaunliche Erkenntnisse in einer Angelegenheit, in der es Jahr für Jahr dann doch um Millionen Euro geht. Das Gericht hat sich die Bezeichnung "Willkür" für das Vorgehen der Stadtverwaltung gerade noch so verkniffen.
Aber der Eindruck liegt nahe: Man hat sich keine großen Gedanken darüber gemacht, wie sich die Verdoppelung der Gebühren und die Einteilung der Straßen in verschiedene Klassen rechtfertigen kann. Sondern man hat's so gemacht, weil man es eben machen kann. Besonders peinlich ist es, dass 2014 die damalige kleine Stadtratsfraktion aus FDP, Piraten und Hut in der Ausschusssitzung gerade das bemängelt hatte: dass niemand die Einteilung in Straßenklassen begründen wollte. Leider interessierte das damals offenbar auch die Stadtratsmehrheit nicht.
Nun kommt möglicherweise eine Klagewelle auf die Stadt zu. Denn wenn die Gebührensatzung nichtig ist, können die zu viel gezahlten Gebühren auch zurückgefordert werden. Es ist ohnehin verwunderlich, dass kaum jemand gegen die Erhöhung geklagt hatte. Erfahrene Wirte erklären einem das so: "Wenn du gegen die Stadt klagst, hast du alle 14 Tage die Lebensmittelaufsicht in der Küche. Und irgendwas finden die immer, irgendwann." Hoffentlich zeigt sich die Stadt jetzt wenigstens als faire Verliererin.