Klage gegen Stadt:Urteil: Höhere Gebühren für Freischankflächen ungültig

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Bis 2016 hat Tobias Schachner in der Dreimühlenstraße das Restaurant Coco de Mer betrieben. Heute befindet sich das Bistro Bruno darin. (Foto: Florian Peljak)

Die Stadt hatte 2014 eine satte Erhöhung für die Wirte beschlossen, sie mussten plötzlich das Doppelte, teils auch das Vierfache der vorherigen Summe bezahlen. Der Gastronom Tobias Schachner klagte dagegen - und bekam nun in vollem Umfang Recht.

Von Franz Kotteder, München

Das ist nichts weniger als eine schallende Ohrfeige für die Stadt: Das Münchner Verwaltungsgericht hat jetzt die seit 2015 geltende Gebührenordnung für Freischankflächen von Gaststätten für ungültig erklärt. In einem Einzelfall zwar, aber der hat Signalwirkung für die gesamte Gastro-Branche. Weshalb das Gericht die Berufung zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof auch zuließ, denn die Angelegenheit habe "grundsätzliche Bedeutung" und "dient der Weiterentwicklung des Rechts".

Der Stadtrat hatte im April 2014 eine satte Erhöhung der Gebühren für Freischankflächen beschlossen, die im Jahr darauf in Kraft trat - also für jene Tische und Stühle, die von Gaststätten auf die Gehsteige vor ihre Lokale gestellt werden, damit man auch draußen essen und trinken kann. Diese Gebühren waren zuvor, verglichen mit anderen Städten, recht niedrig gewesen.

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Nach dem Stadtratsbeschluss aber waren sie plötzlich doppelt so hoch wie zuvor, bei einzelnen Lokalen kam es sogar zu noch deutlicheren Erhöhungen, bis zum Vierfachen der vorherigen Summe. Denn die Verwaltung hatte das Stadtgebiet jetzt in unterschiedliche "Straßenklassen" eingeteilt. Wer sein Lokal an belebten, gut besuchten und meist zentralen Orten hatte, musste von 2015 an deutlich mehr zahlen als ein Wirt oder eine Wirtin in den Stadtvierteln außerhalb des Zentrums.

Einer aber wollte die Erhöhung nicht akzeptieren: Tobias Schachner, damals Wirt des Spezialitätenrestaurants Coco de Mer, das sich auf die Küche der Seychellen verlegt hatte, "da gab's damals in ganz Europa nur zwei Lokale, das andere war in Paris". Er bekam von der Gebührenerhöhung erst einmal gar nichts mit, weil durch einen Fehler der Verwaltung nur eine Rechnung über gut 24 Quadratmeter bekommen hatte und nicht über die normalen knapp 80 Quadratmeter.

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Die Stadt muss sich auf eine Klagewelle der Wirte gefasst machen. Die Einordnung von Straßen in unterschiedliche Preisklassen bleibt auch den Richtern rätselhaft.

Kommentar von Franz Kotteder

Der Stadtverwaltung werden handwerkliche Fehler vorgeworfen

Erst als man bei der Stadt 2016 den Fehler bemerkt hatte und die Nachforderung über insgesamt 7268 Euro kam, fiel er aus allen Wolken. Da erfuhr er auch, dass die Verwaltung die gesamte Stadt in vier verschiedene Straßenklassen eingeteilt hatte: "Wir waren dann plötzlich in der gleichen Kategorie wie der Sendlinger-Tor-Platz. Ich fragte mich: Wie ist das möglich? Wo ist bei uns die ganze Laufkundschaft, wo sind die Touristen?"

Schachner klagte gegen die Stadt, nun hat er vor dem Verwaltungsgericht in vollem Umfang Recht bekommen. In der schriftlichen Urteilsbegründung von Ende Februar - die beiden Parteien hatten auf eine mündliche Verhandlung verzichtet - werden der Stadtverwaltung durch die Blume schwere handwerkliche Fehler vorgeworfen. Zwar habe sie ohne Zweifel das Recht, Gebühren zu erhöhen. Sie brauche dafür aber eine nachvollziehbare Begründung, und die habe sie trotz mehrmaliger Aufforderung nicht liefern können.

Lediglich zwei Beschlussvorlagen für den Stadtrat habe man eingereicht, "weitere Unterlagen zur Satzungsänderung von April 2014 seien nach einer Recherche nicht existent beziehungsweise nicht archiviert". Dabei beließ man es. Nach welchen Kriterien die Stadt verschiedene Straßen in unterschiedliche Gebührenklassen einordnete, blieb somit das Geheimnis der Behörden.

"Ich will ja keinen Krieg mit der Stadt", sagt Schachner

Die Formulierungen im Urteil zur Satzung - "rechtswidrig und damit nichtig" - lassen an Deutlichkeit jedenfalls nichts zu wünschen übrig. Sie können aber auch als eine Aufforderung an die Münchner Gastronomie verstanden werden, die in den vergangenen Jahren zu viel gezahlten Gebühren von der Stadt zurückzufordern. Das ist eine Menge Geld, denn mit Ausnahme des vergangenen Jahres, in dem wegen der Corona-Auflagen keine Gebühren für Freischankflächen erhoben wurden, nahm die Stadt damit jährlich zuletzt rund 1,77 Millionen Euro ein. Vor der Erhöhung waren es eine Million Euro gewesen.

Das Kreisverwaltungsreferat bleibt auf Nachfrage bei seiner Ansicht, die Gebührenhöhen seien "transparent und nachvollziehbar" geregelt. Sprecher Johannes Mayer sagt: "Insofern wird derzeit geprüft, ob gegen das nur den konkreten Einzelfall betreffende Urteil entsprechende Rechtsmittel eingelegt werden."

Der erfolgreiche Kläger ist gespannt, ob nun der Verfassungsgerichtshof angerufen wird. Schachner hat sein Restaurant aus privaten Gründen schon 2016 aufgegeben und ist inzwischen hauptberuflich in der IT-Branche als Projektentwickler tätig. "Ich will ja keinen Krieg mit der Stadt", sagt er, "ich will nur, dass sie mit ihren Steuerzahlern partnerschaftlich umgeht und sie nicht nach Gutsherrenart behandelt".

© SZ vom 23.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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