Nach umstrittenem Polizeieinsatz:Mann muss wegen Angriffs auf Beamte Geldstrafe zahlen

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Das Gericht befand den 54-Jährigen unter anderem für schuldig, eine Beamtin geschlagen zu haben. Der Fall hatte für Aufsehen gesorgt, weil sich ein Polizist beim Einsatz auf den Hals des Angeklagten gekniet haben soll.

Von Andreas Salch

Es ist gegen 19 Uhr am 12. Februar des vergangenen Jahres. Ein Mann sitzt in der S 8 Richtung Isartor. Zwei Mitarbeiter der Deutschen Bahn in Zivil wollen sein Ticket kontrollieren. Sie glauben, es sei ungültig. Ein Irrtum jedoch. Das Ticket war gültig. Die Situation eskalierte dennoch. Bundespolizei und Polizei werden alarmiert. Der 54-jährige Fahrgast wird von fünf Beamten gewaltsam zu Boden gebracht und gefesselt. Dabei schreit er immer wieder um Hilfe, schlägt um sich und beißt einer Beamtin in die Fingerspitzen ihres Lederhandschuhs.

Der Fall hat für erhebliches Aufsehen gesorgt, weil ein Polizist bei dem Einsatz sein Knie in die Kopf- und Halsregion des Mannes gedrückt haben soll - so wie im Fall des tödlichen Polizeieinsatzes gegen George Floyd in den USA im Mai 2020. Das Magazin Focus war vor Beginn der Verhandlung vor dem Amtsgericht München an ein Video gelangt, auf dem das Geschehen auf dem Bahnsteig an der S-Bahn-Station Isartor zu sehen ist. Die Aufnahmen hatte eine Polizeibeamtin mit ihrer Bodycam gemacht. Wie die Zeitschrift an das Video gelangte, ist unklar.

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Für den 54-Jährigen hatte der Vorfall gravierende Folgen. Nach Angaben seines Verteidigers David Mühlberger befindet sich der Mann seither in psychiatrischer und psychologischer Behandlung. Das Geschehen habe seinen Mandanten so mitgenommen, dass er seinen Beruf als IT-Spezialist nicht mehr ausüben könne. Unter Tränen und mit schluchzender Stimme erklärte der 54-Jährige vor Verkündung des Urteils, er lebe jetzt in Armut, "das ist Strafe genug".Doch an diesem Donnerstag verurteilte das Amtsgericht den IT-Spezialisten wegen Widerstandes sowie wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, vorsätzlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung, versuchter Körperverletzung und Beleidigung zu einer Geldstrafe in Höhe von 2700 Euro (90 Tagessätze à 30 Euro).

Er hätte nur seinen Ausweis zeigen brauchen

Richter Alexander Fichtl ließ bei der Begründung des Urteils keinerlei Zweifel daran, dass der Angeklagte selbst schuld daran sei, dass der Einsatz dermaßen eskalierte. Das Bodycam-Video zeige, dass sich der 54-Jährige "wie ein Berserker" benommen habe, sagte Fichtl. Er hätte nur seinen Ausweis zeigen brauchen, so wie die Beamten es von ihm verlangt hatten. "Dann wäre das alles nicht passiert." Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft den IT-Spezialisten auch wegen eines Angriffs auf die Fahrkartenkontrolleure angeklagt.

Beide machten jedoch bei ihrer Zeugenaussage widersprüchliche Angaben. Da das Gericht diese als unglaubwürdig wertete, wurde das Verfahren in diesem Punkt eingestellt. Einer der beiden Kontrolleure musste sich am Donnerstag in einem anderen Verfahren wegen Körperverletzung vor dem Landgericht verantworten. In erster Instanz war er schuldig gesprochen worden.

Richter Alexander Fichtl folgte in seinem Urteil dem Antrag von Staatsanwältin Stefanie Eckert, die eine Verurteilung etwa wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte sowie die Verhängung einer Geldstrafe in Höhe von 180 Tagessätzen à 30 Euro gefordert hatte. Eckert warf dem 54-Jährigen vor, "komplett uneinsichtig" zu sein. Dessen Angaben bezeichnet die Anklagevertreterin als "haltlose Anschuldigungen".

Ob einer der Beamten tatsächlich dem Angeklagten sein Knie in die Kopf- und Halsregion gedrückt habe, ließ das Gericht offen. Staatsanwältin Eckert betonte, der Angeklagte sei "sehr weit vom Erstickungstod entfernt gewesen", weil er gebrüllt habe "wie am Spieß". Gleichwohl werde derzeit noch ermittelt, ob es zu Straftaten zum Nachteil des Angeklagten bei dem Einsatz gekommen sei, sagte die Staatsanwältin am Rande des Prozesses.

Rechtsanwalt David Mühlberger, der gefordert hatte, seinen Mandanten freizusprechen, sagte unmittelbar nach dem Ende des Prozesses, er werde gegen das Urteil des Amtsgerichts Berufung einlegen. Dass die Angaben des Angeklagten trotz des Videos als Lüge abgetan würden, sei "schon relativ grenzwertig". Staatsanwältin Stefanie Eckert warf er vor, Falschaussagen seitens der Polizeibeamten zu legitimieren.

Eckert hatte bei ihrem Plädoyer erklärt, dass sie den Beamten glaube, obwohl diese angegeben hatten, sie könnten sich nicht daran erinnern, ob sie den Angeklagten im Kopfbereich fixiert hätten. Dieses Aussageverhalten sei "durchaus verständlich", so die Anklagevertreterin, weil die Polizeibeamten wohl alle Kollegen seien und keiner den anderen vor Gericht habe "reinreiten" wollen.

© SZ vom 05.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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